FZ: Absturz eines Überfliegers Kommentar der "Fuldaer Zeitung" zum Stellenabbau bei Nokia
Fulda (ots)
Es ist noch gar nicht lange her, da war ein Nokia-Handy das Maß aller Dinge: "State of the Art", wie man auf Neudeutsch sagt, technisch und designerisch nicht zu steigern; ein "Must Have" in Zeiten, in denen Apples iPhone nur in der Phantasie eines Steve Jobs existierte. Doch dann wurde der finnische Handykönig vom Thron gestoßen, weil er, auf zu hohem Ross sitzend, noch Telefontastaturen aus Kunststoff verwendete, als berührungsempfindliche Displays längst den Markt eroberten. Der Niedergang des einstigen Riesen dokumentiert sich in den erschütternden Zahlen, die gestern bekannt gegeben wurden: Nach Verlusten von fast einer Milliarde Euro im ersten Quartal verlieren 10 000 Beschäftigte ihren Job. Mehrere Standorte, auch das Forschungszentrum in Ulm mit 700 Arbeitsplätzen, werden aufgegeben.
Schlecker und auch Opel lassen grüßen: Wieder einmal liegen die Gründe für den Absturz eines renommierten Unternehmens in einer verfehlten Strategie des Managements. Trends wurden verschlafen, neue Bedürfnisse der Kunden, die Apple clever mit dem iPhone schuf, zu lange ignoriert. Stattdessen wurde die Edel-Marke Vertu gegründet, die Telefone für tausende Euro anbietet, die aber niemand wirklich braucht. Hinzu kommt eine fragwürdige Geschäftspolitik, die die Firma zum Synonym für die Auswüchse des Turbokapitalismus machte und viele Nokia-Fans vergrault hat. Erinnern wir uns noch an Bochum und Rumänien? Nokia siedelte sich gerne in Ländern an, in denen es fette Subventionen gab - um dann ein paar Jahre später das Werk dichtzumachen und weiterzuziehen, um woanders erneut Staatshilfen zu kassieren. Zu dieser Art von Verlässlichkeit passt es, dass noch vor ein paar Wochen hochrangige Führungskräfte ankündigten, der Standort Ulm sei zukunftssicher. Und jetzt? Alles Schnee von gestern.
Noch ist Nokia nicht tot. Mit den neuen Lumia-Smartphones hat das Unternehmen technisch den Anschluss an Apples iOS und Googles Android gefunden. Die Kooperation mit Microsoft beim Betriebssystem Windows 8, das im Herbst erwartet wird, könnte sich in dieser Hinsicht als fruchtbare Allianz erweisen. Für die 10 000 vom Stellenabbau betroffenen Beschäftigten kommt dieser Hoffnungsschimmer allerdings leider zu spät. Bernd Loskant
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