Schwäbische Zeitung: Das Ergebnis ist erfreulich eindeutig - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Das war es nun. Oder vorsichtiger mit Blick auf die vergangenen Monate und Jahre ausgedrückt: Das sollte es nun gewesen sein. Parlament, Gerichte, ein Schlichtungsverfahren und nun die Volksabstimmung über Stuttgart 21. Die Mehrheit ist für den Neubau des Bahnhofes. Das Quorum wurde nicht erreicht. Jeder, der mochte, konnte sich auf irgendeine Art und Weise beteiligen, demonstrieren, seine Meinung - und ja - jetzt auch seine Stimme abgeben.
Das Ergebnis ist erfreulich eindeutig. Ein großes Infrastrukturprojekt kann und muss jetzt zügig weiter gebaut werden. Für den Industriestandort Deutschland ist das ein wichtiges Signal: Der Wutbürger ist in die Schranken verwiesen. Allgemeinwohl kommt vor Einzelinteresse. Jetzt sollte eine Grundsatzdebatte geführt werden, die viel weiter geht als der Streit über ein Bauvorhaben oder, wie in Hamburg geschehen, die Blockade einer Schulreform. Braucht Deutschland wirklich mehr Volksentscheide? Haben die Befürworter von Volksabstimmungen tatsächlich recht, wenn sie sagen, dass es per se demokratischer ist, die Menschen über kontroverse Sachverhalte abstimmen zu lassen?
Nein, sie irren. Ein niedriges Quorum würde es einer kleinen, aber gut organisierten Minderheit leicht ermöglichen, ihren Willen gegen die Mehrheit durchzusetzen. Wer finanziell stark ausgestattet ist, kann in der modernen Mediengesellschaft seine Positionen weit streuen und damit manipulieren. Ein Blick über die Grenze schärft die Wahrnehmung: Der Milliardär Christoph Blocher hat in der Schweiz einen Volksentscheid über ein Minarett-Verbot erwirkt, obwohl dieses vermeintliche Problem ursprünglich nur in den Köpfen ganz Rechter herumgeisterte. Auch liegt die Beteiligung an Volksabstimmungen in der Schweiz häufig deutlich unter der von deutschen Parlamentswahlen. Die repräsentative Demokratie muss sich nicht verstecken, sie delegiert Entscheidungen und ermöglicht Bürgerbeteiligung. Mit Populisten kann sie es leicht aufnehmen.
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