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Schwäbische Zeitung: Norbert Barthle: Kanzlerin nicht eingeknickt

Leutkirch (ots)

Berlin - Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, kann kein Einlenken der Kanzlerin beim EU-Gipfel feststellen. "Die Kanzlerin ist nicht eingeknickt, sondern sie hat sehr clever verhandelt. Wer sich das Abschlusspapier des Gipfels vom vergangenen Freitag ansieht, erkennt, dass zentrale Wünsche der Südeuropäer nicht erfüllt wurden", sagt Barthle im Interview der Schwäbischen Zeitung (Dienstag-Ausgabe). Damit weist Barthle Kritik aus den eigenen Reihen zurück, die Kanzlerin sei in Brüssel beim ESM eingeknickt, um die von der SPD verlangten milliardenschweren Wachstumspakete durchzusetzen.

Unser Interview im Wortlaut:

SZ: Herr Barthle, wie fühlen Sie sich nach der letzten Woche? Erleichtert, dass ESM und Fiskalpakt durch den Bundestag sind, oder bedrückt angesichts dessen, was noch ansteht?

Barthle: Das erste Gefühl war Erleichterung nach einem sehr langen, mühsamen Prozess. Deshalb bin ich erst einmal froh, wenngleich jeder von uns Bedenken hatte und niemand in Jubelstimmung ist.

SZ: Sie haben die Kanzlermehrheit verfehlt. Haben Sie jetzt Angst vor den weiteren Abstimmungen, wenn Sie auf die eigene Mehrheit angewiesen sind?

Barthle: Nein, denn wir wussten ja vorher, dass wir eine Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Das machte es manchen Kollegen einfacher, nicht zuzustimmen. Ich wage die Behauptung: Wären wir auf die Kanzlermehrheit angewiesen gewesen, hätten wir die auch erreicht.

SZ: Was geschieht in Zukunft mit dem Haushaltsrecht des Bundestags? Haben die Kläger nicht Recht, dass es langsam, aber sicher ausgehebelt wird?

Barthle: Ich sehe das anders. Alle finanzwirksamen Entscheidungen im dauerhaften Rettungsschirm ESM bedürfen der vorherigen Zustimmung des Bundestags. Das einzige, wo wir uns auf Dauer verpflichtet haben, ist unser Anteil von 22 Milliarden Euro für den Kapitalstock des ESM und den Garantierahmen von 168 Milliarden Euro.

SZ: Wird denn das Risiko für den deutschen Steuerzahler nicht noch höher, wenn erst marode Banken direkt Hilfe vom ESM bekommen?

Barthle: Das ist noch ein weiter Weg mit vielen Hürden. Vorher muss ja eine wirksame gemeinsame Bankenaufsicht in der Eurozone installiert werden. Dazu müsste zunächst die Kommission einen Vorschlag vorlegen, den dann der Europäische Rat prüfen müsste. Erst ganz am Ende könnte der Gouverneursrat des ESM die unmittelbare Bankenhilfe als neues Instrument beschließen. Dazu bräuchte es aber die Zustimmung des Bundestags. Auf Basis des gerade beschlossenen Gesetzespaktes ist eine direkte Bankenhilfe des ESM ausdrücklich ausgeschlossen.. Das Gesetz müsste gegebenenfalls geändert werden.

SZ: Das heißt, der Bundestag müsste seiner eigenen Entmachtung zustimmen.

Barthle: Nein, der Bundestag müsste einem neuen Hilfsinstrument des ESM zustimmen, und bis dahin fließt noch viel Wasser die Spree hinunter.

SZ: Deutschland steht mit rund 300 Milliarden Euro für die Euro-Rettung im Risiko. Ist da der Bundeshaushalt nicht längst Makulatur?

Barthle: Wenn alle Risiken eintreten würden, wären es 310 Milliarden. Aber das wäre der allerschlimmste Fall, wenn man die Griechenland-Pakete und sämtliche weiteren Hilfen addiert. Das ist wenig realistisch.

SZ: Ist es nicht auch wenig realistisch, dass es beim kleinsten Risiko bleibt?

Barthle: Bisher sehe ich das Risiko nicht, dass vergebene Kredite nicht zurückbezahlt werden könnten - mit Ausnahme Griechenlands. Griechenland ist ein Sonderfall mit einem Schuldenschnitt, an dem die öffentlichen Geldgeber allerdings nicht beteiligt waren.

SZ: Griechenland hat gerade eine Wunschliste für Erleichterungen aufgestellt. Ist es richtig, die Sparauflagen zu lockern?

Barthle: Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Griechenland muss alle vereinbarten Auflagen erfüllen. Dass man an einzelnen Stellschrauben dreht , kann ich mir vorstellen, nicht aber grundsätzliche Veränderungen des Programms.

SZ: Was denken Sie, wie lange uns die Krise noch beschäftigt. Monate, Jahre, Jahrzehnte?

Barthle: Wenn man das wüsste, könnte man mit diesem Wissen eine Menge Geld verdienen. Im ersten Quartal waren wir hoffnungsfroh, die Krise überwunden zu haben. Dann kamen die Wahlen in Griechenland und Frankreich, beides hat das Vertrauen der Investoren in den Euro-Raum wieder geschwächt. Ich hoffe, dass es uns gelingt, in absehbarer Zeit das Vertrauen wiederzugewinnen.

SZ: George Soros gibt dem Euro noch bis September Zeit. Was sagen Sie?

Barthle: Dem schließe ich mich nicht an. Herr Soros ist ein ausgebuffter Spekulant, dessen Äußerungen immer eine gewisse Absicht verfolgen.

SZ: Um uns herum bricht die Konjunktur ein. Wie lange geht es bei uns noch gut?

Barthle: Deutschland hat sich bisher als sehr resistent erwiesen. Ich hoffe, dass wir unsere Robustheit beibehalten können. Wir müssen Stabilitätsanker und gleichzeitig Lokomotive der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa bleiben. Dazu ist es wichtig, dass wir unsere ordnungspolitische Orientierung in der Euro-Krise beibehalten. Wir müs sen auf Sparkurs bleiben. Es gibt erkennbar starke Kräfte, vor allem aus Südeuropa und auch Frankreich, diesen Kurs zu verändern und die Frage der Wachstumsimpulse in den Vordergrund zu rücken und die Konsolidierung auszublenden. Wir müssen beides im Blick behalten: Wachstum und Konsolidierung..

SZ: Das Ausland kommentiert, Angela Merkel sei bereits eingeknickt in Richtung mehr Wachstum, weniger Konsolidierung.

Barthle: Die Kanzlerin ist nicht eingeknickt, sondern sie hat sehr clever verhandelt. Wer sich das Abschlusspapier des Gipfels vom vergangenen Freitag ansieht, erkennt, dass zentrale Wünsche der Südeuropäer nicht erfüllt wurden.

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