Schwäbische Zeitung: Neu ist dieser Ton aus Rom - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Der Papst hat gesprochen - und es gibt tatsächlich Grund, sich verwundert die Augen zu reiben. Allerdings nicht darüber, was Franziskus in einer improvisierten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Brasilien gesagt hat, sondern über manche Reaktion auf das Gesagte. Es war nämlich im Kern nichts Neues. "Wenn jemand homosexuell ist und den Herrn sucht, wer bin ich, über ihn zu urteilen?" Diesen Satz hätten die Vorgänger des Papstes kaum anders formuliert. Er steht im Einklang mit dem katholischen Katechismus, er enthält keine neue Aussage über praktizierte Homosexualität, die von der Kirche abgelehnt wird. Da haben interessierte Kreise offensichtlich etwas herausgehört oder hineininterpretiert, was man als Ausfluss von Wunschdenken bezeichnen kann.
Neu ist aber der Ton. Franziskus wirkt offen, direkt, unverkrampft. Er ist dabei, sein Amt ein Stück weit von der Bürde der Würde zu befreien. Das lässt ihn für viele - auch kirchenferne - Menschen so sympathisch erscheinen. Er ist ein Seelsorger-Papst, einer, der spontan auf die Leute zugehen kann, der spontan antwortet. Diplomatische Formulierungen scheinen ihm fremd. Er sagt, was er denkt, ohne vorher eine vatikanische Expertenkommission zu befragen. Benedikt XVI. hat seine Worte bedächtiger, gesetzter, kunstvoller gewählt - und wurde dennoch gern missverstanden. Kurioserweise geht Franziskus mit seinem neuen Stil dieselbe Gefahr ein. Wenn die Anfangseuphorie erst mal verflogen ist, dürfte manche Erwartung enttäuscht werden. Theologisch ist dieser Papst mit seinem Vorgänger weitgehend auf einer Linie.
Das bedeutet keineswegs, dass sich nichts ändern wird. Die Geschiedenen-Pastoral, die Stärkung der Rolle der Frauen in der Kirche, die Weihe sogenannter viri probati zu Priestern sind nach wie vor offene Fragen. Benedikt hat sie offen gelassen, weil ihm gegen Ende seines Pontifikats auch die Kräfte schwanden. Sein Nachfolger scheint entschlossen, nach Lösungen zu suchen. Aber dem Zeitgeist wird er die Kirche gewiss nicht anpassen.
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