Schwäbische Zeitung: Leitartikel zu Koalitionsvertrag - Gut verdaulich
Ravensburg (ots)
Das patriarchalische Zeitalter einer CDU unter Helmut Kohl ist längst dem Matriarchat von Angela Merkel gewichen. Geändert hat sich seitdem in der CDU nur wenig. Es gilt nach wie vor die Regel: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Was Mutti so kocht, schmeckt ja gut. Und angerichtet hat sie es schließlich auch noch ganz hübsch. Die Zustimmung zum Koalitionsvertrag wird überdies erleichtert durch die Einsicht, dass die CDU - und mehr noch Deutschland - bisher mit Merkel ganz gut gefahren ist.
Doch ein Hauch des Geistes von Liquid Democracy, von Mitgliedervoten und Befragungen, hat die CDU erreicht. Ein zartes Lüftchen nur, das junge Mitglieder leicht murrend einen Brief schreiben ließ und den kritischen Wirtschaftsflügel zum vernehmlichen Schimpfen veranlasste. Schließlich möchte man ab und zu auch beim Menü mehr mitreden. Doch wer den Brief der Jüngeren aufmerksam liest, merkt schnell, dass eigentlich nicht viel anderes drinsteht, als dass die Jüngeren ein paar Posten für sich einfordern. Und dass der notorisch unzufriedene Wirtschaftsflügel mehr fordert, ist auch nicht gerade neu. Das fortgesetzte Jammern beeindruckt die Partei deshalb wenig.
Für das Ja der Delegierten zum Start in die Neuauflage einer Großen Koalition brauchte Angela Merkel keine große Überredungskunst. Zugestimmt haben dem Koalitionsvertrag bis auf zwei Enthaltungen alle Delegierten des kleinen Parteitags in Berlin. Das ist kein Wunder. Denn die CDU hat ihre wichtigsten Punkte - keine Steuererhöhung, Haushaltskonsolidierung und die Mütterrente - durchbekommen. Wirklich Unverdauliches gab es nicht, denn der Ruf nach Mindestlohn und Begrenzung von Leiharbeit und Zeitarbeit war längst in den eigenen Reihen laut geworden.
Beim nächsten Mal allerdings, das zeichnet sich ab, wird die Basis in der CDU wohl etwas breiter zu Wort kommen. Schließlich hat die Kanzlerin selbst alle aufgefordert, ruhig mehr zu mitzureden. Über die richtige Ernährung zum Beispiel.
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