Schwäbische Zeitung: Für Erdogan wird es eng - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Bislang ist für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan alles gut gegangen. Vor mehr als zehn Jahren wurde er erstmals zum Regierungschef gewählt und seitdem hält er sich mit der Alleinregierung seiner islamischen AKP-Partei an der Macht. Die säkularen Militärs, die das Land jahrzehntelang bestimmten, sind von Erdogan in ihre Schranken verwiesen worden. Außenpolitisch hat die Türkei an Statur gewonnen, stellt sie doch das Scharnier zwischen Europa und dem Nahen Osten dar. Und wenn das Gespräch auf die wirtschaftliche Entwicklung kommt, dann kann der konservative Populist Erdogan auf eine Erfolgsgeschichte blicken: Im Zuge eines Modernisierungsschubes wurde die Verschuldung massiv nach unten gedrückt und zeitgleich sind Wachstumszahlen publiziert worden, die weltweit beeindruckten. Dennoch hat Erdogan an Ansehen im In- wie im Ausland verloren. Immer wieder werden Zweifel laut, ob der frühere Bürgermeister Istanbuls wirklich eine demokratische Türkei in die Europäische Union führen will. Sein autokratisches Verhalten ist legendär, sei es bei seinen Anhängern wie seinen Gegnern. Die Proteste rund um den Istanbuler Gezi-Park hat er niederknüppeln lassen. Auf der Liste der Pressefreiheit verschlechtert sich die Türkei immer mehr, steht heute zwischen Mexiko und Swasiland weit hinten. Nun fabuliert Erdogan im Zuge des Korruptionsskandales von einer Verschwörung aller gegen seine Mannen. Dabei ist offensichtlich, dass er die Vetternwirtschaft nicht ernsthaft bekämpft. Dass ein Bankchef den Gegenwert von mehr als drei Millionen Euro in Schuhkartons zu Hause versteckt, ist nur ein kleines Indiz. Die Verflechtung zwischen Partei, Militär, Justiz, Verwaltung und Polizei lassen von einem Staat im Staate sprechen. Die Türken nennen das "tiefen Staat". Erdogan war angetreten, damit Schluss zu machen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Für die neue Erdogan-treue Regierung wird es eng. Wirtschaftliche Erfolge reichen alleine nicht aus.
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