Schwäbische Zeitung: Unwürdig im doppelten Sinn
Ravensburg (ots)
Folter ist unmenschlich und dumm. Dies ist die Quintessenz dessen, was der US-Senat in jahrelanger Arbeit auf 6000 Seiten zusammengefasst hat. Sonderlich neu ist die Erkenntnis ja nicht. Wer einen Menschen martert, der erhält jedes gewünschte Geständnis, jede gewünschte Bezichtigung - vom Mordkomplott bis zur Hexerei. Den Folterknechten aller Zeiten und Herren Länder ist es nie um die Wahrheit gegangen, sondern um das, was sie hören wollten. Falls es sich doch mal mit der Wahrheit gedeckt hat, dann war das Zufall. Zu echtem Erkenntnisgewinn haben also auch die CIA-Exzesse nicht beigetragen. Wenn jemand wie die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen als Reaktion auf den Bericht jetzt mit Folter liebäugelt, dann ist das vor allem unsagbar dümmlich.
Das Treiben der CIA-Agenten war in einem doppelten Sinne unwürdig. Es hat die Menschenwürde der Gepeinigten verletzt - und es war unter der Würde eines Landes, das sich als globaler Kämpfer für Freiheits- und Menschenrechte versteht. Das Gefangenenlager Guantánamo konterkariert dieses Selbstverständnis allerdings ebenso wie die Praxis der Todesstrafe in den USA. Es hat nichts mit Antiamerikanismus zu tun, wenn man auf diese Widersprüchlichkeiten hinweist. Unter Freunden ist das sogar geboten.
Aber: Der jetzt dokumentierte Skandal ist leider Wasser auf die Mühlen derer, die in den USA immer schon ein Zentrum des Bösen und Bigotten, kurz: eine Gefahr für die Welt, gewittert haben. Diese Verschwörungstheoretiker sitzen nicht nur in den arabischen Ländern oder in Russland, sondern auch in der westlichen Welt und in Deutschland. Man muss ihnen entgegnen: Die Demokratie jenseits des Atlantiks ist immerhin so stark und selbstbewusst, dass sie eine Schande wie die jetzt offenbarte aushält und sie aufarbeitet. Und: Trotz Snowden und NSA, trotz schlimmer strategischer und politischer Fehler in den vergangenen Jahren bleiben die USA in einer zunehmend instabilen Welt ein Hort der Stabilität - und für viele Länder die wichtigste Schutzmacht.
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