Schwäbische Zeitung: "Bündnis auf Zuruf" - Leitartikel zur Südschiene
Ravensburg (ots)
Erlebt die von vielen totgeglaubte Südschiene dank der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen Bayern und Baden-Württemberg eine Renaissance? Nein. Weder taugt die gemeinsame, von steigenden Einbruchszahlen getriebene, Aktion zweier Minister mit unterschiedlichem Parteibuch als Gründungsmythos einer neuen Ära der Zusammenarbeit. Noch war die Südschiene jemals gänzlich tot, auch wenn Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer 2011 nach dem grün-roten Wahlsieg in Baden-Württemberg sogar einen "Wettbewerb der Systeme" ausgerufen hatte. Und schon gar nicht war sie vor 2011 so lebendig, wie es einige Romantiker heute beschwören.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden Süd-Bundesländer wenig gemein zu haben: Das grün-rot regierte Baden-Württemberg ärgert sich laufend über die Egotrips der allein regierenden CSU im Nachbarland in Sachen Stromtrassen, Atommüll, Pkw-Maut oder Betreuungsgeld. Auch das Temperament der beiden Regierungschefs scheint nicht recht zueinander zu passen, wie das Beispiel Länderfinanzausgleich zeigt: Während der in Umfragen äußerst populäre Stuttgarter Regierungschef Winfried Kretschmann seit Jahren auf Verhandlungen pocht und die gesellschaftliche Verantwortung von Politik betont, ist sein weit unbeliebterer Münchner Kollege Seehofer längst vor Gericht gezogen.
Doch jenseits dieser Streitthemen gibt es doch zahlreiche gemeinsame Interessen und viel Zusammenarbeit. Und wenn es politisch nutzt, finden sogar, wie jetzt, Innenminister unterschiedlicher Couleur zusammen. Dabei geht es nicht um die traditionelle Verbindung der Südländer in der Tradition von Strauß und Späth, sondern schlicht um die Probleme steigender Einbruchszahlen. Es ist ein Bündnis auf Zuruf, kein Ausdruck langjähriger politischer Freundschaft. Und für den SPD-Mann Gall ist es gleich ein doppelter Coup: Der Stuttgarter Innenminister kann kurz vor der Wahl zeigen, dass die oppositionelle CDU kein Exklusivrecht auf gute Verbindungen zur CSU hat.
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