Schwäbische Zeitung: Zum Tod von Hans-Dietrich Genscher: Ein Mann mit Haltung
Ravensburg (ots)
Es gibt wenige Persönlichkeiten, denen unweigerlich Respekt und Hochachtung zuteil werden. Hans-Dietrich Genscher war so ein Mann. Dieser Hans-Dietrich Genscher war ein Staatsmann. Er war weit mehr als ein Zeuge des dramatischen 20. Jahrhunderts, er hat dieses mit Geschick, Können und Mut zugunsten Deutschlands mitgestaltet.
Seine diplomatische Kunst ermöglichte die Deutsche Einheit. 18 Jahre war der Liberale Außenminister der Bundesrepublik. 1969 forcierte er noch als Innenpolitiker die Bildung der SPD-FDP-Koalition, unterstützte Willy Brandts Entspannungspolitik von Beginn an. Dies tat Genscher aus Überzeugung und gegen den massiven Widerstand der Kleingeister in seiner Partei. Dass die FDP deshalb in eine ihrer vielen existentiellen Krisen kam, nahm der gewiefte Stratege in Kauf.
1982 riskierte er mit der Wende von der SPD hin zur CDU erneut das Überleben der Liberalen, die als Wendehälse und Zünglein an der Waage diskreditiert wurden. Genscher wurde von seinen Gegnern als personifizierte Unzuverlässigkeit gebrandmarkt, hatte er doch noch zwei Jahre zuvor auf großflächigen Plakaten Wahlkampf für die sozialliberale Regierung Schmidt-Genscher gemacht. Obwohl ihm dieser aus innenpolitischen Gründen eingeleitete Schwenk nicht gefallen konnte, zollte Helmut Schmidt Genscher Jahre später große Anerkennung für dessen diplomatische Leistungen. Wahrscheinlich zeichnete es die Mitglieder dieser Kriegsgeneration aus, dass sie zwischen dem kleinen Karo der Alltagspolitik und wirklich wegweisenden Entscheidungen differenzieren konnte.
In den letzten Jahren seines Lebens sorgte sich Genscher um Europa und auch um den Kurs seiner Partei. Über Euro-Kritiker innerhalb der FDP zürnte der Hallenser. Die Liberalen müssten vor allem einen klaren Europakurs halten, erklärte er mehrfach. "Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine", war einer dieser Sätze, die für Genscher mehr als ein Programm waren. Es war seine Haltung.
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