Ende einer Hoffnung
Frankfurter Rundschau (ots)
Kiliçdaroglu hatte die Jahrhundertchance, zum Jahrhundertjubiläum der türkischen Republik das unheilvolle Erbe Atatürks zu überwinden. Er hat sie verspielt und einmal mehr bewiesen, dass die Geburtskrankheiten des Kemalismus nicht zu heilen sind. Tragisch ist sein Twist für die säkularen, modernen Kurdinnen und Kurden, die den Oppositionsführer zu Millionen gewählt haben. Sie stehen - wieder einmal - vor den Trümmern ihrer Hoffnungen auf Gleichberechtigung.
Tragisch ist das Geschehen auch für die Türkei selbst, die dringend einen Reformer gebraucht hätte, der den kemalistisch-nationalistischen Ballast abwirft und das Land in eine moderne Zukunft führt. Das Dilemma, einen Wahlsieg nur mit der Mobilisierung von Nationalist:innen und Kurd:innen gleichermaßen erreichen zu können, hatte Kiliçdaroglu mit einer feinen Balance der Interessen austariert. Es hätte Mut erfordert, zur Stichwahl bei dieser Linie zu bleiben - auch um den Preis der Niederlage, aber mit einem Scheck auf die Zukunft. Kiliçdaroglus Versagen ist Erdogans Triumph.
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