Senderangaben zum Informationsanteil irreführend - Otto Brenner Stiftung weist einseitige Interpretation zurück
Frankfurt (ots)
SWR und NDR haben sich mit Pressemitteilungen gegen die Inhalte einer OBS-Studie gewandt, in der in vergleichender Perspektive eine Analyse der Programminhalte der Sender vorgenommen wurde. In der Programmanalyse des profilierten Medienforschers Joachim Trebbe, FU Berlin, wird ihnen ein geringer Anteil an politischer Information und journalistischer Aufbereitung gesellschaftlich kontroverser Themen nachgewiesen.
"Angesichts der relativ klaren Ergebnisse der Studie überraschen die Reaktionen der Sender", sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. Es erstaunt auch, "dass die Sender in ihren Stellungnahmen die zentralen Aussagen der Studie mit selektiven und vergleichsweise unbedeutenden Thesen zu widerlegen und offensichtlich eine kritische Programmdebatte zu verhindern versuchen", fügte Legrand hinzu.
Insbesondere die Aussage des Geschäftsführers im Vorwort zur Studie, dass Boulevardthemen und Ratgebersendungen einen wesentlichen Anteil am Programm der Sender ausmachen, wurde mit dem Hinweis, dass die Studie den Sendern ein vielseitiges Vollprogramm mit ca. zwei Dritteln fernsehpublizistischer Formate attestiere, heftig zurückgewiesen. Dies ist aus Sicht der Stiftung eine irreführende und verkürzte Darstellung, die der Anlage und Reichweite der Studie nicht gerecht wird.
Die Studie untersuchte zunächst die strukturelle Programmvielfalt. Hier wird zwischen fiktionalen und nonfiktionalen Unterhaltungssendungen einerseits und fernsehpublizistischen Sendungen andererseits unterschieden. Als solche fernsehpublizistischen Sendungen werden vor allem Sendungen mit informativem Charakter (z.B. Nachrichtensendungen, Magazine, Sport etc.) definiert. Hier stimmt die Aussage, dass bei einem sehr weiten Informationsbegriff bei beiden Sendern der Anteil fernsehpublizistischer Sendungen am Gesamtprogramm über 70% beträgt. Bei einem engeren Informationsbegriff, der Sport und Unterhaltung nicht berücksichtigt, liegt dieser Anteil bei 53% (SWR) und 49% (NDR) - beides im Vergleich zu ARD/ZDF und auch zu den privaten Sendern tatsächlich hohe Werte.
Zum Zweiten, und das ist der Kern der Studie, wurden diese fernsehpublizistischen Sendungen auf inhaltliche Vielfalt und gesellschaftliche Relevanz untersucht. Und genau hier setzt die Kritik an, die im Vorwort der Studie formuliert wurde. Es wird nicht die Vielseitigkeit der Programme in Abrede gestellt, sondern die Gewichtung der verschiedenen Programminhalte problematisiert. Und hier hat sich gezeigt, so Legrand, "dass politische Information und gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen - gelinde gesagt - stiefmütterlich behandelt werden".
Denn die 53% (SWR) bzw. 49% (NDR) Informationsanteil im engeren Sinne teilen sich in lediglich 10% resp. 13% politische Publizistik und Information über kontroverse gesellschaftliche Themen, und 43% resp. 36% Service, Sach- und Ratgebersendungen auf. Dies wurde im Vorwort mit der naheliegenden Zuspitzung "Garten, Kochen und Tiere" umschrieben.
"Die Thematisierungsanalyse der Programme zeigt, dass der so genannte Human-Touch-Bereich, also die Berichterstattung über prominente Menschen, Emotionen, Unfälle und Verbrechen usw. im Vergleich zu ARD und ZDF erhöht ist und hinsichtlich der Prozentanteile an einem durchschnittlichen Sendetag vergleichbar mit RTL ist", stellt der Autor Joachim Trebbe zudem mit Hinblick auf den Anteil von 15 Prozent Human-Touch-Berichterstattung an der Gesamtsendezeit fest.
Unpolitische Sach- und Ratgeberthemen haben beim SWR einen Anteil von 28% an den gesamten Nachrichtensendungen, beim NDR 18,9%. Und ebenso sind die Magazine keineswegs genuine Sendungen politischer Information - der Anteil beträgt hier bei SWR 3,5%, bei NDR immerhin 17,4%. Angesichts dieser Datenlage sollte nach Einschätzung der OBS auch über den hohen Anteil von Ratgeber- und Serviceangeboten bzw. eine "Boulevardisierung" gesprochen und diskutiert werden können.
Die Stiftung appelliert an die Sender, sich ernsthaft und unvoreingenommen der Debatte über die Programmgestaltung und die zentralen Erkenntnisse der Untersuchung zu stellen. Medienkritik, Gebührenzahler und die Vertreter gesellschaftlicher Gruppen in den Rundfunkgremien sind aufgefordert, sich konstruktiv und aktiv an dieser notwendigen Auseinandersetzung zu beteiligen.
Download, Reaktionen, die SWR- und NDR- Pressedienste und weiteres Material unter: http://ow.ly/pB52U
Pressekontakt:
Otto Brenner Stiftung
Jupp Legrand
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Autor
Prof. Dr. Joachim Trebbe
Freie Universität Berlin
Tel.: 030 838 57875
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