Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus auf dem Prüfstand
Frankfurt (ots)
+++ OBS-Studie analysiert Ansätze und beleuchtet Praxis von konstruktivem Journalismus in Deutschland +++ Ergebnis: hohes Potential und Chancen, zur Lösung von Medienkrisen beizutragen +++ Umdenken in Redaktionen und Anpassung von Arbeitsprozessen erforderlich +++ Aber: Bisher noch wenig Stringenz und Nachhaltigkeit in der praktischen Anwendung +++
Redaktionen und JournalistInnen in Deutschland versuchen, auch in Krisenzeiten eine problemfixierte Berichterstattung mit konstruktiven Ansätzen zu ergänzen und sehen darin eine Chance, "den Journalismus" nachhaltig zu verändern. Das ist das Fazit von "Nachrichten mit Perspektive", der neuen Studie der Otto Brenner Stiftung.
Leif Kramp (Bremen) und Stephan Weichert (Hamburg), die Autoren der Studie, erläutern die innovativen Konzepte konstruktiver und lösungsorientierter Berichterstattung und analysieren die ersten praktischen Umsetzungen in Deutschland. Sie haben Tiefeninterviews mit JournalistInnen, Redaktionsleitungen und ExpertInnen geführt und zeigen, welche Möglichkeiten die neuen Ansätze bieten. "Gerade in Krisenzeiten erleben wir immer wieder, auf welche Nachrichtenangebote Verlass ist und auf welche nicht, welche Medien als unverzichtbar gelten, und welche eher oberflächlich, zynisch oder sensationslüstern berichten", sagt Studienautor Stephan Weichert. Der Hamburger Medienwissenschaftler erkennt vor dem Hintergrund des Umgangs mit der Corona-Krise dabei vor allem in den konstruktiven und lösungsorientierten Ansätzen für den Journalismus ein enormes Potenzial - "sowohl für die kritische Reflexion des journalistischen Selbstverständnisses als auch im Hinblick auf den gesamtgesellschaftlichen Auftrag von Journalistinnen und Journalisten".
"Der Grundgedanke des konstruktiven Journalismus ist eigentlich recht simpel: Neben Problemen sollen immer auch Lösungen mitgedacht werden, um ein vollständiges Abbild der Wirklichkeit zu vermitteln", so Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Die Untersuchung unterstreiche aber auch, dass dieser Ansatz nicht "so nebenbei" von einzelnen JournalistInnen umgesetzt werden kann. In akribischer Detailarbeit stellt das Autorenteam an praktischen Beispielen heraus, welche Veränderungen nötig sind, um konstruktiven Journalismus erfolgreich umzusetzen. Die Auswirkungen auf Recherchepraxis, Darstellungsformen und Themenauswahl werden beleuchtet, notwendige Anpassungen bei den Distributionsformen und dem Umgang mit dem Publikum vorgestellt und wichtige Fördermaßnahmen besprochen.
Dabei machen die Studienergebnisse deutlich, dass die Praxis des konstruktiven Journalismus in Deutschland noch am Anfang steht und weiterhin viel experimentiert werden muss. Kaum eine der beschriebenen Maßnahmen - ein Beispiel für die Ebene der Arbeitsorganisation ist die explizite redaktionsinterne Kennzeichnung konstruktiver Artikel, eines für die Themenfindung der Fokus auf lokale Geschichten - kann von den Autoren uneingeschränkt für alle Situationen und Redaktionen empfohlen werden. Stets müssten dabei die Besonderheiten von Medium, Redaktion und der Stellenwert des konstruktiven Journalismus mitgedacht werden. Eindeutig ist nur, dass konstruktiver Journalismus Zeit braucht, besonders für die Recherche und die Kommunikation der Ergebnisse. "Ohne die bewusste Entscheidung, Zeit und Ressourcen bereitzustellen, wird ein Wandel sehr schwierig", gibt Jupp Legrand zu bedenken und ergänzt: "Strukturelle Änderungen in Redaktionskultur und Arbeitsorganisation sind notwendig für den Erfolg von konstruktivem Journalismus".
Das Autorenteam Kramp/Weichert sieht einen großen Bedarf an internen Weiterbildungsangeboten, um ein gemeinsames Verständnis von konstruktivem Journalismus zu entwickeln, das auch kritische Stimmen überzeugt. "Weder Schwarzmalerei noch Schönfärberei helfen JournalistInnen dabei weiter, ganzheitlich zu berichten", so Studienautor Leif Kramp mit Blick auf einen zentralen Kritikpunkt. Insgesamt sieht der Bremer Medienwissenschaftler aber eine wachsende Bereitschaft, konstruktive und lösungsorientierte Ansätze auszuloten: "Redaktionen suchen nach neuen Wegen, in ihrer Arbeit auch für Perspektiven zu den großen Problemen der Gegenwart einen Platz zu finden - ohne dabei ihre Prinzipien als Hersteller kritischer Öffentlichkeit aufzugeben."
"Nachrichten mit Perspektive" versteht sich nicht nur als Einführung in lösungsorientierten und konstruktiven Journalismus. Berichte aus der Praxis, Interview-Auszüge mit ExpertInnen und ein breiter Serviceteil sprechen sowohl KritikerInnen wie auch ProtagonistInnen der Konzepte an und machen die OBS-Publikation aus Sicht von Stiftung und Autoren ebenso interessant für den journalistischen Alltag wie für Qualifizierungsangebote in der Aus- und Weiterbildung.
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