Zentrum für Umweltbewusstes Bauen (ZUB) der Universität Kassel qualifiziert berufsbegleitend tausende von Energiefachleuten für die Bauwirtschaft
Kassel (ots)
Zentrum für Umweltbewusstes Bauen: Bauphysiker qualifizieren Techniker, Ingenieure, Architekten und Handwerker weltweit / Unternehmen fragen nach Kompetenz aus Kassel
Die Brücke von der Bauphysik in den Alltag des Bauens hat das "Zentrum für Umweltbewusstes Bauen" (ZUB) seit seiner Gründung im Jahr 1999 schon ungezählte Male geschlagen. Denn namhafte Unternehmen, aber auch einzelne Architekten, Ingenieure oder Techniker aus Deutschland und anderen Staaten und Kontinenten fragen die Schulungen durch die Kasseler Wissenschaftler und Spezialisten gezielt nach, um sich im Markt noch besser zu positionieren. Die Zahl der Absolventen geht weit in die Tausende. Allein die Zahl der zertifizierten Energie-Fachberater übersteigt schon die Marke von 2000.
Das ZUB begann in der Rechtsform des Vereins und entwickelte sich rasch zu einer anerkannten Institution, die Wissenschaft und Bauen auf einmalige Weise verbindet. Das problem- und anwendungsorientierte Forschen, das Entwickeln praxisgerechter Lösungen sowie die anwendungsorientierte Weiterbildung in der Bauwirtschaft absichernd, hat die Universität Kassel das ZUB 2012 in die Hochschule integriert. Forschend sind für das ZUB nach wie vor die Fachgebiete Bauphysik, Technische Gebäudeausrüstung sowie Umweltbewusstes Planen und Experimentelles Bauen tätig. Zu dem Forschungsnetzwerk gehören außerdem noch die Fraunhofer mit ihrem Institut für Bauphysik.
Wohin Professor Dr.-Ing. Anton Maas vom Fachgebiet Bauphysik der Universität Kassel auch schaut: Überall locken Herausforderungen. Die Welt steckt für ihn voller Arbeit. Der Blick aus dem Haus des ZUB auf dem Areal der Kasseler Universität fällt zum Beispiel auf ein Gründerzeitquartier. Dort stehen Häuser der Baujahre 1890 bis 1910. Deren Fenster, schätzt Maas, wurden bestenfalls in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum letzten Mal getauscht. Die Heiztechnik ist von Außen zwar unsichtbar, aber ein Investitionsstau ist nicht auszuschließen. Das Dach ist nicht gedämmt, und eine Außendämmung gibt es freilich erst recht nicht. Letztere verbietet sich allein schon wegen der reich geschmückten Gründerzeitfassaden. "Technische Lösungen für die Dämmung von Innen gäbe es, aber sie sind anspruchsvoll", sagt Maas, "wenn keine Bauschäden provoziert werden sollen".
Energieeffizienz: Technisch wäre vieles machbar
Technisch sei alles kein Problem, sagt der Bauphysiker, aber in der Praxis stelle sich die Frage: "Wer profitiert, und wer zahlt?" Eine Sanierung des Hauses schaffe Behaglichkeit im Inneren, nicht nur an kalten Tagen, sondern auch ein angenehmeres Klima an heißen Tagen, während die Ausgaben für Heizenergie deutlich sinken, verweist Maas auf die Bewohner als unbestreitbare Nutznießer. Doch die Mieten, die eine angemessene Amortisation der Investition zuließen, lassen sich in Deutschland offenbar nicht durchsetzen.
Die Deutschen verbrauchen bis zu 40 Prozent der Energie in ihren Häusern
Gleichwohl lohnte aus der Perspektive der Energieeffizienz und des Klimaschutzes in Deutschland vor allem eine Investition in die Gebäude. Denn 30 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs der Deutschen nutzen sie zur "Gebäudekonditionierung", also zum Beheizen, Kühlen, Be- und Entlüften oder Beleuchten ihrer Häuser. Erst seit den 1970er Jahren gibt es Vorgaben zur Minderung des Energieverbrauchs für Neubauten. Seither entstanden aber nicht mehr so viele Häuser wie in den Jahren zuvor. Es gäbe also viel zu tun in deutschen Städten und Dörfern, denn die meisten Häuser stammen aus dem Bestand vergangener Jahrhunderte und Jahrzehnte.
Kasseler Forscher setzen Maßstäbe
Das ZUB zeigt, was möglich ist. Die Wissenschaftler entwickeln neue Techniken, evaluieren neue Konzepte, setzen Maßstäbe für die Förderpolitik, formulieren Standards und prägen Normen mit. In Kassel betreuen die Bauphysiker ein "Effizienzhaus Plus" wissenschaftlich. Das Einfamilienhaus erzeugt im Jahresmittel mit Photovoltaik- und Solarthermieelementen mehr Energie, als seine Bewohner zum Leben im Haus selbst benötigen.
Gemeinsam mit den Hochschulen in Karlsruhe und Wuppertal bestreitet das ZUB die Begleitforschung von Muster- und Demonstrationsanlagen zum Neubau von Nicht-Wohngebäuden, mit dem Ziel neue Technologien zu evaluieren und Förderprogramme zu optimieren.
In Cölbe bei Marburg verfolgen und dokumentieren die Kasseler Wissenschaftler das Verhalten und die Interdependenz moderner Anlagentechnik im energetisch optimierten, neuen Verwaltungsgebäude von Wagner Solar.
Ein Konzept für die energieautarke Fachwerkstadt
In Wolfhagen im Landkreis Kassel begibt sich das ZUB auf vollkommenes Neuland. Die kleine, historische Fachwerkstadt in der samt den umliegenden Neubaugebieten etwa 15.000 Menschen leben, will sich in Zukunft komplett aus Erneuerbaren Energien versorgen. Neben dem Ausbau der Versorgung aus nachhaltig fließenden Quellen geht es um den sorgsameren Umgang mit der kostbaren Energie. "Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, sich mit den Fachwerkgebäuden auseinanderzusetzen", sagt Maas, "denn sie sind sensibel gegenüber Bauschäden". Ihre Außenwände lassen zum Beispiel Wasser eindringen. Werden die Häuser innen falsch gedämmt, können die Wände nicht mehr trocknen. Es geht aber nicht nur darum, neue Produkte zu entwickeln, die zum Beispiel am richtigen Ort die Feuchtigkeit durchlassen. In der Abwägung einer zu steigernden Energieeffizienz und ihrer dynamischen Wechselwirkung mit dem Energiebedarf einerseits, sowie dem potentiellen Energieangebot anderseits, gilt es, Energieversorgungskonzepte zu entwickeln. Ist das Heizen mit Strom attraktiv? Lohnt die zentrale Versorgung einer Häuserzeile mit einem Blockheizkraftwerk? Objektspezifische Antworten sind gesucht.
Energieeffizienz ist mehr als angewandte Bauphysik
Wolfhagen zeigt zudem, dass nicht nur technische Herausforderungen zu meistern sein werden. Wie weit wird zum Beispiel die Eigenleistung der Hausbewohner zulässig sein? Dürfen die Eigentümer oder die Nachbarn selber ausschachten oder Kabel ziehen, ohne die Beschränkung der Garantie durch den Fachbetrieb fürchten zu müssen oder damit gar gegen Förderauflagen zu verstoßen? Haftungsfragen sind zu klären, damit der Preis der Energiewende für den einzelnen Bürger begrenzt, und diese Wende damit überhaupt erst möglich wird. Die Antworten auf die Fragen des Bauens in Zeiten der Energiewende wird die Wissenschaft interdisziplinär geben müssen. Energieeffizienz ist für Maas also mehr als angewandte Bauphysik.
Die Sanierung eines Hauses umfassend durchdenken
Doch zurück in die Kasseler Nordstadt oder jede andere Innenstadt oder Siedlung. "Dämmen lohnt", widerspricht Maas allen weit verbreiteten Zweifeln an der positiven Energiebilanz, in der der Aufwand zur Herstellung und Installation der Dämmung der damit zu erreichenden Energieeinsparung gegenübergestellt wird, oder allen Mutmaßungen, (dass der Dämmstoff in der Herstellung mehr Energie benötigt als die erhoffte Ersparnis, oder) dass Dämmen zwangsläufig zur Schimmelbildung führe. Maas rät allerdings allen Bauherren oder Immobilieneigentümern, die Sanierung eines Objektes von Beginn an in ihrer ganzen Dimension in den Blick zu nehmen und als ein umfassendes System zu erkennen. "Wenn schon energetisch sanieren, dann richtig und zukunftsweisend", sagt Maas. Die Sanierung könne durchaus in Etappen vollzogen werden. Wenn zum Beispiel das Dach saniert werde, solle gleich der Überstand erweitert werden, um eine eventuell später aufzubringende Außenwanddämmung in einer entsprechenden Dicke anbringen zu können. Diese sollte nicht zu schlank ausfallen. 20 Zentimeter seien in der Regel sinnvoll. Die Qualität der Dämmung bestimme wiederum die Größe der Heizung und verweise zum Beispiel auf die Frage, ob mehrere Gebäudebesitzer ein Blockheizkraftwerk betreiben sollten.
Die Berater schließlich, die das Haus, seine Hülle und seine Technik als ein Gesamtsystem denken und betrachten, bildet das ZUB in Tagesseminaren, zweiwöchigen Schulungen und berufsbegleitenden Weiterbildungsprogrammen aus.
Der Lehrgang zum Energie-Fachberater des ZUB
Den Online/Präsenz-Lehrgang zum Energie-Fachberater haben bereits über 2000 Teilnehmer wahrgenommen. Er vermittelt den Teilnehmern die erforderlichen Kenntnisse, um eine qualifizierte Fachberatung zum Themenkomplex Energieeffizienz und Energieeinsparung bei Wohngebäuden durchzuführen. Im Zentrum steht die Vermittlung von bauphysikalischen Zusammenhängen, Kenngrößen und Anforderungen. Die Teilnehmer lernen verschiedene Systeme und Komponenten in Bezug auf Heizung, Warmwasserbereitung und Lüftung kennen und gewinnen ein Verständnis über die verschiedenen Einflussgrößen. Im Zusammenspiel von Bau- und Anlagentechnik ergibt sich die energetische Qualität eines Gebäudes. Diesbezüglich werden die Anforderungen nach Energieeinsparverordnung vermittelt und unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit mögliche Einsparungen berechnet. Mithilfe eines Beratungstool können die Energie-Fachberater diese Ergebnisse schnell erzeugen und damit Kunden effizient und überzeugend beraten.
Die Weiterbildung schließt mit einer schriftlichen Prüfung ab. Bei erfolgreichem Abschluss erhalten die Teilnehmer das Zertifikat zum Energie-Fachberater.
Die Seminare des ZUB
In Tagesseminaren schult das ZUB Fachleute gezielt zu spezifischen Themengebieten. Diese Seminare richten sich an Architekten, Bauingenieure und Fachplaner, an Energieberater, Sachverständige, Techniker, Handwerksmeister sowie an Mitarbeiter des Handels, der Industrie, von Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgern und Bauämtern.
Die Teilnehmer der Seminare befassen sich mit Fragen der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden, der energieeffizienten Planung von Neubauten, der Energieeinsparverordnung und dem Energieausweis für Gebäude, der energetischen Bewertung von Gebäuden sowie mit den Themen "Wärme, Feuchte, Schall". Die Seminarteilnehmer setzen sich ferner mit Fragen der Luftdichtheit und der Thermographie auseinander und beschäftigen sich mit Wärmebrücken, Technischer Gebäudeausrüstung sowie Regenerativen Energien.
Die Schulungen sind als Fortbildungsnachweis für den Eintrag in die Energieeffizienz-Expertenliste (dena), als KMU-Energieberater (KfW) und als Nachweis der regelmäßigen Weiterbildung (dena, IngKH, AKH) anerkannt.
Übersicht über das komplette Bildungsangebot, detaillierte Informationen und Buchung unter www.zub-kassel.de/weiterbildung.
Studienprogramme für Postgraduierte
Unter dem Titel "Energie und Umwelt" wendet sich das ZUB mit speziellen Studienprogrammen an Ingenieure, Naturwissenschaftler und qualifiziertes Fachpersonal.
Die Seminare umfassen 40 bis 130 Unterrichtsstunden. Präsenztermine wechseln mit eigenständigen Lernphasen. Die Teilnahme an den Programmen zur berufsbegleitenden wissenschaftlichen Qualifikation kostet zwischen 950 und 2500 Euro. Die Qualifikation endet mit einer Prüfung und der Aushändigung eines Zertifikats der Universität Kassel.
Im Einzelnen bietet das ZUB die Weiterbildung zum
- Gebäude-Energieberater, - Energieberater Baudenkmale, - Energieeffizienzexperte - Planung und Baubegleitung, - Nachschulung KfW-Effizienzhausexperte, - Energieausweis Nichtwohngebäude, - Anlagenplaner Erneuerbare Energien, - Windenergie-Anlagenplaner sowie einen - Aufbaukurs Energieausweis Nichtwohngebäude.
Weiterbildungen maßgeschneidert
In Zusammenarbeit mit dem Baustoff-Fachhandel und dem Gesamtverband der Dämmstoffindustrie hat das ZUB ein modulares Ausbildungskonzept zum zertifizierten Energie-Fachberater entwickelt. Aufbauend auf einen Lehrgang mit Abschlussprüfung gibt es Zusatzmodule für die weitere Qualifizierung. Unter der Qualitätssicherung des ZUB werden die Schulungen auch bundesweit von den Dämmstoffherstellern Isover und Rockwool angeboten. Die dena verlieh der Brancheninitiative des Baustoff-Fachhandels das Label Good Practice Energieeffizienz.
Der Fenster- und Fassadenspezialist Schüco hat mit den Wissenschaftlern ein Curriculum für eine Inhouse-Schulung entwickelt, mit dem er seine Mitarbeiter und die Mitarbeiter der ausführenden Fachbetriebe unternehmensintern durch das ZUB zum "Schüco E³xpert" qualifizieren ließ.
Auch die Deutsche Bahn hat sich von den Kasseler Wissenschaftlern bereits mehrfach ein Weiterbildungsangebot zusammenstellen lassen.
Wissenstransfer International
International war das ZUB Fachpartner für ein International Leadership Training für Energieeffizienz am Bau. Der Kurs für Fachleute aus den Maghreb-Staaten lief über zwei Jahre und wurde von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt. Das ZUB war verantwortlich für die fachliche Schulung in Form eines Online-Workshops, eines dreimonatigen Fachblocks im ZUB und mehreren Workshops in der Region sowie die Betreuung der Praktika und der Umsetzung von Transferprojekten.
In Kooperation mit dem Ost-West-Wissenschaftszentrum der Universität Kassel führten die Kasseler Wissenschaftler ein Seminar zur Ausbildung von Energieberatern in Weißrussland durch und bieten jährlich eine Schulung für Architekten, Ingenieure und Planer aus Weißrussland, Russland und der Ukraine an.
Speziell für die VR China entwickelten die Wissenschaftler ein Qualifikationsprogramm zur Steigerung der Energieeffizienz bei der Sanierung im Gebäudebestand.
An diesen international ausgerichteten Seminaren haben bisher 70 Personen teilgenommen.
Pressekontakt:
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