Startschuss für die Kampagne Geschmäcker sind verschieden
Ein Geschmacksdiktat schmeckt niemandem
Berlin (ots)
Paradigmenwechsel im BMEL: Verband kritisiert Abkehr vom Ziel einer ausgewogenen und kalorienarmen Ernährung hin zu einem Geschmacksdiktat, mit dem die geschmacklichen Präferenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern grundlegend verändert werden sollen.
"Die aktuellen Diskussionen um das geplante 'Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz' sind erst der Anfang und noch lange nicht das Ende einer gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern übergriffigen und letztlich auch wenig erfolgversprechenden Ernährungspolitik", erklärt Isabelle Begger, Vorsitzende des Süßstoff-Verbands e.V., anlässlich des Starts der Kampagne "Geschmäcker sind verschieden" in Berlin.
Mit einer Plakataktion unter der Überschrift "Ein Geschmacksdiktat schmeckt niemandem" hat der Süßstoff-Verband e.V. in dieser Woche in Berlin gegen die aktuelle Ernährungspolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) protestiert. Die Kritik des Verbandes richtet sich gegen die Pläne des BMEL, die Süße von Lebensmitteln zu reduzieren, um die Geschmackspräferenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verändern, sowie die Einbeziehung von mit Süßstoff gesüßten Lebensmitteln in das geplante Lebensmittel-Werbeverbot.
BMEL erarbeitet Rahmenbedingungen für ein Geschmacksdiktat
"Trotz aller Beteuerungen, keine Ernährungsverbote auszusprechen und keine Rezepturen vorzuschreiben, setzt das BMEL sukzessive die Rahmenbedingungen für weniger Vielfalt, weniger Angebot und weniger Auswahl. Alles soll weniger süß schmecken - unabhängig vom Kaloriengehalt und ohne wissenschaftlich belastbare Argumente. Das geplante 'Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz' ist dabei nur eines von mehreren Instrumenten, mit dem eine weitreichende geschmackliche Umerziehung erreicht werden soll", erklärt Anja Roth, Ernährungswissenschaftlerin und fachliche Ansprechpartnerin des Süßstoff-Verbands e.V.
Roth verweist in diesem Zusammenhang auf eine Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Ophelia Nick (BMEL) auf eine kleine Anfrage von Christina Stumpp, MdB (CDU/CSU) vom 16.03.2023:
"Aus Sicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird die schrittweise Reduktion der Zuckergehalte bei gleichzeitiger Reduktion der Gesamtsüße von verarbeiteten Lebensmitteln angestrebt. Dieses Reformulierungsziel unterstützt Verbraucherinnen und Verbraucher am besten dabei, Geschmackspräferenzen zu entwickeln, die eine ausgewogene Ernährung erleichtern."
Bundestagsdrucksache 20/6070, S. 51
Auch in der Politik wächst der Widerstand gegen die Stoßrichtung der geplanten Ernährungsstrategie
Dr. Gero Hocker, ernährungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion stellt klar: "Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, den Geschmack von Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Süß, herzhaft oder salzig, das soll jeder für sich selbst entscheiden. Der Gesetzgeber sollte nicht in die Vielfalt der Geschmacksentscheidung eingreifen. Eine Vorgabe der Politik ist der denkbar schlechteste Weg."
Auch Christina Stumpp, Bundestagsabgeordnete der CDU, äußert sich kritisch zur aktuellen Ernährungsstrategie: "Insgesamt zeigt das Vorhaben des BMEL, auf welchem ernährungspolitischen Irrweg sich die Ampel befindet. Hier werden rein ideologische Ziele verfolgt und den Bürgerinnen und Bürgern die Kompetenz abgesprochen, selbst zu bewerten und zu entscheiden. Das mag vielleicht einer kleinen grünen Klientel gefallen. Bei der Mehrheit wird sich der Bundesminister jedoch die Zähne ausbeißen, denn Geschmacksvorlieben lassen sich nicht aberziehen. Unser Süßgeschmack ist genetisch geprägt."
Süße-Reglementierung ohne wissenschaftliche Grundlage
Insbesondere kritisiert der Süßstoff-Verband das Nährwertprofil des Europäischen Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das dem Entwurf zum Werbeverbot zugrunde liegt. Das WHO-Nährwertprofil setzt Zucker mit Süßstoffen gleich, obwohl Süßstoffe keine Kalorien liefern und nachweislich sicher sind. Eine wissenschaftliche Begründung für diese Reglementierung des kalorienfreien süßen Geschmacks bringt die WHO nicht vor.
Süßstoff-Verband fordert Offenheit für Reformulierungen
Auch zuckerfreie Bonbons und Kaugummis werden im WHO-Nährwertprofil als für Kinder ungeeignet eingestuft. Damit sind auch Produkte betroffen, deren Energiegehalt bereits reduziert wurde und die eine zahnfreundliche Alternative bieten. Dies steht im Widerspruch zu den Forderungen des Bundesernährungsministers Cem Özdemir nach einer Reformulierung von Produktrezepturen.
"Wir glauben nicht, dass Reformulierungen, also Rezepturveränderungen, die den Energiegehalt von Lebensmitteln reduzieren und gleichzeitig den Geschmack von Verbraucherinnen und Verbrauchern treffen, seitens des Ministeriums ernsthaft gewünscht sind. Das Ziel ist offenkundig und wurde ja seitens des BMEL jetzt auch bestätigt: Die Reduzierung des süßen Geschmacks. Welchen Sinn sollte es auch machen, Reformulierungen zu fordern, davon aber die seit Jahrzehnten verwendeten, nachweislich sicheren Süßstoffe auszuschließen? Mit welchen Zutaten sollen Lebensmittelhersteller dann arbeiten?", so Isabelle Begger, Vorstandsvorsitzende des Süßstoff-Verbands.
"Die von der Politik geplante Reglementierung des süßen Geschmacks, die auch kalorienfreie Süßstoffe einschließt, ist für uns nicht nachvollziehbar. Süßstoffe sind als kalorienfreie Süßungsmittel eine wichtige, zugelassene und umfassend geprüfte Zutat. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil eines energiereduzierten Lebensmittelangebots und sollten von der Lebensmittelindustrie bei Rezepturänderungen weiterhin berücksichtigt werden dürfen", erklärt Isabelle Begger und führt weiter aus: "Ein Geschmacksdiktat der Politik kann hier nicht die Lösung sein. Stattdessen müssen Verbraucherinnen und Verbraucher - je nach ihren persönlichen Geschmackspräferenzen - befähigt werden, eine gesunde Auswahl aus einem vielfältigen Angebot zu treffen."
Über die Kampagne "Geschmäcker sind verschieden":
Die Plakataktion des Süßstoff-Verbandes ist Teil der Kampagne #geschmaeckersindverschieden. Die Kampagne plädiert für Geschmacksvielfalt, ein großes Lebensmittelangebot sowie die freie Wahl der Verbraucherinnen und Verbrauchern und wendet sich im Umkehrschluss gegen Ernährungsverbote, politische Rezepturvorgaben und ein Geschmacksdiktat. Mit der Kampagne #geschmaeckersindverschieden begleitet der Süßstoff-Verband die aktuelle politische Debatte um Werbeverbote, Ernährungsstrategie und Reduktionsziele.
Mehr Informationen zur Kampagne finden Sie hier:
www.geschmaecker-sind-verschieden.de
Über den Süßstoff-Verband:
Der Süßstoff-Verband e.V. wurde 1970 mit dem Ziel gegründet, "die Forschung auf dem Gebiet der Süßstoffe und die Verbreitung (Veröffentlichung) der Forschungsergebnisse sowie die Information der Öffentlichkeit zu fördern" (§ 3 der Verbandssatzung). Der Verband setzt sich für eine ausgewogene und faktenbasierte Berichterstattung zum Thema "Süße" in den Medien ein. Auch im politischen Raum vertritt er die Interessen von süßstofferzeugenden und -verwendenden Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
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