Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte
Dobrindts "Thermofenster": Ziviljustiz zeigt Courage und stellt sich gegen das fragwürdige Gebaren des KBA
Gerichte stufen das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung ein
Köln (ots)
In einer Verfügung vom 24.06.2019, Az. 54 O 240/19, äußerte sich das Landgericht Ingolstadt grundlegend zum sogenannten "Thermofenster". VW ließ in dem Verfahren Folgendes vortragen: "In dem Fahrzeug wird zur Reduktion des Stickoxidausstoßes die sog. Abgasrückführung eingesetzt. [...] Daher wird die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, eine signifikante Reduktion erfolgt jedoch erst bei einer Temperatur von 5 Grad Celsius und weniger." Die Argumentation verkehre nach Ansicht des Gerichts im Ergebnis das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil und führe anders als vom Gesetzgeber beabsichtigt, nicht bloß zu einer punktuellen Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen. Das sog. Thermofenster im Niedertemperaturbereich falle unter keinen der im Gesetz genannten Ausnahmetatbestände. Weder geht es vorliegend um eine Einrichtung, die lediglich beim Motorstart Verwendung findet noch greift die Abschalteinrichtung ein, weil dies gerade durch das Prüfverfahren zur Emissionsmessung vorgegeben wird.
Sofern der Abschluss der Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministerium abschließend feststelle, dass die Verwendung einer Abschalteinrichtung "stets" gerechtfertigt sein kann, wenn dies - unabhängig von dem konkret drohenden Schaden - nachvollziehbar mit Aspekten des Motorschutzes begründet wird, verkennt dies die von Gesetzes wegen gezogene zeitliche Grenze. Die Ausnahmetatbestände würden zwar keine in Zeiteinheiten ausgedrückten Regelungen enthalten, allerdings sei erkennbar, dass die Vorschrift für den zulässigen Einsatz einer Abschalteinrichtung mit der Anlassphase des Motors und dem Prüfzyklus zwei eng abgrenzte Zeitfenster benennt. Eine Auslegung dahingehend, dass der Aspekt des Motor- und Bauteilschutzes ohne zeitliche Begrenzung zur Durchbrechung des Verbotes ausreichen kann, ließe sich nicht widerspruchsfrei begründen.
In dieselbe Kerbe schlug laut Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, Partner der Kanzlei Rogert & Ulbrich, auch das OLG Karlsruhe in zwei mündlichen Verhandlungen am 02. Juli 2019. In beiden Verfahren geht es um Audi Q5 mit 3.0l-Motoren der Schadstoffklasse Euro 5. Der Senat äußerte sich dahingehend, die Verwendung des Thermofensters in den Modellen als illegale Abschaltvorrichtung einstufen zu wollen (Az. 17 U 257/18 und 17 U 294/18).
Dieselbe Richtung schlägt auch das Landgericht in Stuttgart ein. Auch dieses hat bereits in mehreren Urteilen ein Thermofenster als illegale Abschaltvorrichtung qualifiziert - und zwar sowohl bei Modellen aus dem Volkswagenkonzern als auch bei solchen von Mercedes (u.a. Urt. vom 25.06.2019, Az. 23 O 127/18; Urt. vom 08.01.2019, 7 O 265/18).
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert erläutert die Bedeutung dieser Entwicklung wie folgt: "Das spannende an den Entscheidungen und Hinweisen: Ein Großteil der Euro 5-Diesel von Daimler, VW, Audi, Seat, Skoda und Porsche weist ein solches "Thermofenster" auf, die betroffenen Fahrzeuge wurden aber nicht zurückgerufen. Warum nicht? Das KBA hält das "Thermofenster", eine Wortschöpfung von Ex-Verkehrsminister Dobrindt, nicht für unzulässig. Worum geht es? Das "Thermofenster" ist ein Temperaturintervall, in dem die Abgasrückführung zur Abgasreinigung voll funktionstüchtig ist. Außerhalb dieses Fensters fahren die Fahrzeuge mit reduzierter oder gar keiner Abgasreinigung. Nach der einschlägigen EU-Verordnung handelt es sich zweifelsfrei um eine Abschalteinrichtung. Zulässig könnte diese nach der Verordnung nur dann sein, wenn sie zwingend zum Motoren- oder Bauteilschutz erforderlich wäre.
Das behaupten mehrere Hersteller, ist aber hochgradig zweifelhaft, weil die tatsächliche Ausgestaltung des "Thermofensters" gerichtet auf eine deutliche Reduzierung der Abgasreinigung schon oft bei unter 10 Grad Celsius technisch nicht zu begründen ist. Die durchschnittliche Temperatur in Deutschland beträgt 9 Grad! Das auch sonst im Abgasskandal zurecht in der Kritik stehende KBA sieht darin kein Problem. Wir schon. Die Justiz gibt uns immer häufiger Recht. Die Folge: Euro 5 Diesel mit "Thermofenster" können immer häufiger im Wege der Schadenersatzklage zu günstigen wirtschaftlichen Konditionen zurückgegeben werden."
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