Mit Insekten auf Nachtflug: ERC Starting Grant für Anna Stöckl, PI Nr. 94/2023
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Mit Insekten auf Nachtflug: ERC Starting Grant für Anna Stöckl
Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert die Konstanzer Biologin Anna Stöckl mit einem Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro für das Projekt „Closing the loop in dynamic vision – from single photons to behaviour in extreme light environments“ (kurz: „DynamicVision“).
Begleiten wir einen Nachtfalter ein Stück auf seinem nächtlichen Flug: Auf dem Weg durch einen Garten fliegt er vorbei an beleuchteten Fenstern, unter einem Baum hindurch, der im Mondlicht Schatten wirft, und hinaus auf die Straße mit ihren Laternen und grellen, vorbeirauschenden Autoscheinwerfern. Bereits auf dieser kurzen Wegstrecke ist das nachtaktive Insekt mehrfach plötzlichen Helligkeitsschwankungen ausgesetzt. Besonders stark sind jene Schwankungen, die von künstlichen Lichtquellen verursacht werden.
Doch wie schafft es der Nachtfalter, trotz dieser Herausforderungen für seinen Sehsinn, erfolgreich durch die Nacht zu manövrieren? Für die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen hat Anna Stöckl, Juniorprofessorin und Emmy Noether Arbeitsgruppenleiterin an der Universität Konstanz, vom ERC einen Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten. In ihrem Forschungsprojekt „DynamicVision“ wird sie insbesondere den visuell gesteuerten Flug von Nachtfaltern untersuchen.
Mit begrenzten Ressourcen effizient haushalten
„Bei uns Menschen unterstützen uns unsere Augen dabei, mit extremen Helligkeitsschwankungen zurechtzukommen. Beispielsweise, indem sich unsere Pupillen reflexartig verengen, sobald wir aus der Dunkelheit in einen hellbeleuchteten Raum treten“, erklärt Stöckl. „Insektenaugen können sich nicht so rasch anpassen. Stattdessen muss bei Insekten das Nervensystem einen Großteil der Arbeit leisten.“ Und das, obwohl es mit einem Bruchteil der Nervenzellen auskommen muss, die dem menschlichen Gehirn zur Verfügung stehen.
Doch gerade das macht Insekten als Forschungsobjekt hochinteressant: „Wir können von den Nervensystemen der Insekten viel lernen – zum Beispiel, wie komplexe Rechenprobleme ressourcenschonend gelöst werden können“, so Stöckl. Das ist nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, sondern auch für Anwendungen in Bereichen wie der Informationstechnik oder Robotik.
Eine einzigartige Forschungsinfrastruktur
Für ihr aktuelles Projekt wird Stöckl verschiedene methodische Ansätze kombinieren – von neuroanatomischen Untersuchungen über die Messung von Nervenzellaktivität bis hin zu Verhaltensexperimenten. Zusätzlich wird sie mit ihrer Arbeitsgruppe ein Kamerasystem entwickeln, das Veränderungen der visuellen Umgebung aus der Sicht des fliegenden Insekts aufzeichnen kann. Die damit erfassten Szenen sollen dann direkt mit der visuellen Verarbeitung im Nachtfaltergehirn in Zusammenhang gebracht werden.
Mit dem Centre for Visual Computing of Collectives (VCC), in dem auch der Konstanzer Exzellenzcluster „Center for the Advanced Study of Collective Behaviour“ zuhause ist, hat Stöckl außerdem Zugriff auf eine besondere Forschungseinrichtung der Universität Konstanz. „Ein nahezu turnhallengroßes Labor im VCC – der Imaging Hangar – ermöglicht uns zum ersten Mal überhaupt, den Flug von Insekten in einer Größenordnung nachzuverfolgen, die der natürlichen Umgebung der Tiere nahekommt. Bisher waren wir für eine hochauflösende Nachverfolgung von Nachtfalterflügen auf sehr kleine Räume beschränkt – die uns aber nur einen begrenzten Einblick in die natürlichen Flugstrategien der Tiere gewähren“, erklärt Stöckl.
Von der Wahrnehmung zum Handeln und zurück
Im Imaging Hangar geplante Experimente sollen unter anderem neue Einblicke in die Verhaltensstrategien liefern, mit denen Motten ihre Sinneswahrnehmung unter schwierigen Lichtbedingungen optimieren. „Natürliches Verhalten ist keine Einbahnstraße. Sensorische Informationen werden zwar zur Bewegungsteuerung genutzt, umgekehrt haben die Bewegungen eines Tieres jedoch ebenso einen Einfluss darauf, welche Sinnesinformationen überhaupt das Nervensystem erreichen“, so Stöckl.
Die Forscherin betrachtet Verhalten daher vielmehr als einen geschlossenen Kreislauf mit gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen Sinnesinformationen, deren Verarbeitung im Nervensystem und verschiedenen Verhaltensstrategien. In ihrem Projekt zum visuell gesteuerten Flug von Nachtfaltern verfolgt sie entsprechend einen ganzheitlichen Ansatz, der dieses Zusammenspiel berücksichtigt.
Über den ERC Starting Grant
Der ERC vergibt jährlich Starting Grants an junge, vielversprechende Persönlichkeiten aus der Forschung. Diese sollen so die Möglichkeit bekommen, ihre eigene Arbeitsgruppe auf- und auszubauen und Forschungsprojekte mit hohem Innovationspotenzial voranzutreiben.
Faktenübersicht:
- Anna Stöckl erhält ERC Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro
- Das Projekt „DynamicVision“ erforscht den visuell gesteuerten Flug von Nachtfaltern
- Stöckl ist Juniorprofessorin und Emmy Noether Arbeitsgruppenleiterin an der Universität Konstanz
- Stöckl beschreibt ihre Forschung regelmäßig für ein breites Publikum. Eine Auswahl ihrer Beiträge zur eigenen Forschung finden Sie unter: https://www.annastoeckl.com/science-communication
Hinweis an die Redaktionen:
Fotos können im Folgenden heruntergeladen werden:
Bildunterschrift: Anna Stöckl erforscht in ihrem Projekt den visuell gesteuerten Flug von Nachtfaltern
Bild: © Elisabeth Böker, Universität Konstanz
Link: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2023_EXSTRA/mit_insekten/imaging_hangar.jpg Bildunterschrift: Versuchsaufbau im Imaging Hangar der Universität Konstanz
Bild: © Elisabeth Böker, Universität Konstanz
Link: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2023_EXSTRA/mit_insekten/weinschwaermer.jpg Bildunterschrift: Der abgebildete Weinschwärmer ist eine der Nachtfalter-Arten, zu denen Anna Stöckl forscht.
Bild: © Elisabeth Böker, Universität Konstanz
Link: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2023_EXSTRA/mit_insekten/weinschwaermer_auf_pflanze.jpg Bildunterschrift: Der abgebildete Weinschwärmer ist eine der Nachtfalter-Arten, zu denen Anna Stöckl forscht.
Bild: © Elisabeth Böker, Universität Konstanz
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