Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Höhere Krisenwahrnehmung in der Bevölkerung beim Thema Migration
Höhere Krisenwahrnehmung in der Bevölkerung beim Thema Migration
- Die Politikpanel-Umfrage der Universität Freiburg zeigt zudem weiter hohes Niveau einer wahrgenommenen Spaltung der Gesellschaft
- Krisenwahrnehmung und wahrgenommene Spaltung der Gesellschaft unterscheiden sich hinsichtlich der Parteipräferenz teils stark
- 15 Prozent könnten sich vorstellen eine „Wagenknecht“-Partei zu wählen
Die Krisenwahrnehmung in der Bevölkerung ist beim Thema Migration deutlich gestiegen, bei anderen Themen jedoch zurückgegangen. Eine wahrgenommene Spaltung der Gesellschaft ist indes weiterhin auf hohem Niveau – aber mit starken Unterschieden, je nach Parteipräferenz. Und eine „Wagenknecht“-Partei zu wählen, könnten sich 15 Prozent vorstellen: Dies sind Kernergebnisse der neuesten Umfrage des Politikpanels Deutschland der Universität Freiburg, die zwischen dem 28. September und dem 8. Oktober 2023 durchgeführt wurde. 10.038 Personen haben daran teilgenommen, die Vergleichswerte stammen aus einer Panel-Umfrage im Januar 2023. Durchgeführt werden die Umfragen von Prof. Dr. Uwe Wagschal und Dr. Sebastian Jäckle vom Seminar für Wissenschaftliche Politik unter Mitarbeit von Dr. James Kenneth Timmis, Vrije Universiteit Amsterdam / Niederlande.
Krisenwahrnehmung hinsichtlich Migration auf Niveau von 2015
Eine Krisenwahrnehmung hinsichtlich Migration hat um 16 Prozentpunkte zugenommen und wieder das Niveau von 2015 erreicht. 55,7 Prozent der Befragten halten Zuwanderung und Migration für ziemlich oder sehr bedrohlich. Als noch bedrohlicher sehen die Deutschen aktuell nur den Krieg in der Ukraine (57,2 Prozent der Befragten, zuvor 76,8 Prozent). Starke Sorgen aufgrund von Inflation gaben 55,3 Prozent der Befragten (zuvor 63,6 Prozent) an, aufgrund der Klimakrise 52,3 Prozent (zuvor 62,2 Prozent). Die Angst vor Corona spielt hingegen kaum noch eine Rolle. Nur noch 5,1 Prozent fühlen sich durch die Pandemie ziemlich oder sehr bedroht (zuvor 12,1 Prozent). Somit ist lediglich bei der Migration die Krisenwahrnehmung der Bevölkerung gestiegen. In allen anderen abgefragten Bereichen ging sie zurück.
Je nach Parteipräferenz unterscheiden sich Wahrnehmung von Krisen und gesellschaftlicher Spaltung
„Auffällig ist indes, dass insbesondere die Wahrnehmungen zu Krisen und gesellschaftlicher Spaltung je nach unterschiedlichen Parteipräferenzen teilweise stark differieren“, so Wagschal. Für Befragte mit Wahlabsicht Grüne ist die Klimakrise die größte Bedrohung: 96,3 Prozent sehen sie als ziemlich oder sehr bedrohlich. Unter den AfD-Anhänger*innen sind es hingegen nur 8,8 Prozent. Für 96,6 Prozent der AfD-Anhänger*innen stellt Migration eine ziemliche oder sehr große Bedrohung dar. Bei den Personen mit Wahlabsicht CDU/CSU sind es 71,6 Prozent, bei den Anhänger*innen der FDP 59,42 Prozent, bei denen der SPD 26,4 Prozent, bei denen der Linken 17,7 Prozent und bei denen der Grünen 12,6 Prozent. Der Ukrainekrieg wird von über 60 Prozent der Unions-, der SPD- und Grünen-Anhänger*innen als zumindest ziemlich bedrohlich wahrgenommen. Bei den Anhänger*innen der AfD sind es mit 44,4 Prozent deutlich weniger. Auf die Frage „Alles in Allem, für wie gespalten halten Sie die deutsche Gesellschaft insgesamt auf einer Skala von 0 bis 10?“ sehen vor allem Anhänger*innen der AfD die deutsche Gesellschaft als extrem gespalten an. Die Hälfte von ihnen gibt hier einen Wert größer oder gleich 8 an. Im Durchschnitt über alle Befragten der Umfrage liegt der Wert bei 6,5. Die Anhänger*innen von SPD, Grüne und FDP sehen die deutsche Gesellschaft etwas gespalten, doch auch hier gibt die Hälfte aller Befragten einen Wert größer oder gleich 6 an. Über die Hälfte der Personen mit Wahlabsicht CDU/CSU sowie der Linken geben immerhin einen Wert von 7 an. Keine oder nur eine geringe Spaltung der Gesellschaft, also Werte von 0 bis 3, sehen in Deutschland lediglich 6,9 Prozent der Befragten.
Mögliche „Wagenknecht“-Partei: Unklar ob Potenzial auch in Stimmen umsetzbar wäre
Bei der Frage danach, wie Befragte eine Parteigründung durch Sahra Wagenknecht für das politische System Deutschlands fänden, bewerteten das 29,1 Prozent als „eher gut“ oder „sehr gut“. Demgegenüber stehen 30,2 Prozent, die das als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewerten. 40,7 Prozent sehen es als „weder gut noch schlecht“ an. Am ehesten sind Anhänger*innen der Linken, der sonstigen Parteien und vor allem der AfD im Vergleich zu den Anhänger*innen der übrigen Parteien einer „Wagenknecht“-Partei gegenüber grundsätzlich positiver eingestellt. Insgesamt könnten sich 15 Prozent der Befragten vorstellen, eine solche Partei zu wählen. Ob sich dieses Potential auch in tatsächliche Stimmen umsetzen ließe, sieht Wagschal jedoch skeptisch: „Noch sind ein mögliches Wahlprogramm, das Spitzenpersonal und die Parteistrukturen unbekannt. In den Antworten steckt daher vermutlich auch viel Protest gegen die anderen Parteien.“
- Das Politikpanel Deutschland ist eine Umfrage des Seminars für Wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg. Seit der Bundestagswahl 2017 findet es in unregelmäßigen Abständen statt.
- Die aktuellen Ergebnisse können abgerufen werden unter https://www.politikpanel.uni-freiburg.de/docs/Auswertung_PPD_September_2023.pdf.
- Für die aktuelle Umfrage wurden mehr als 10.000 Personen aus ganz Deutschland online zu politischen und gesellschaftlichen Themen befragt. Die Befragung lief vom 28. September bis zum 8 Oktober 2023. Die Daten der Teilnehmenden wurden anhand der soziodemographischen Merkmale Alter, Geschlecht, Bundesland und Wahlabsicht gewichtet und somit an die reale Verteilung in der Bevölkerung angepasst.
- Prof. Dr. Uwe Wagschal ist Professor für Vergleichende Regierungslehre am Seminar für Wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg. Dr. Sebastian Jäckle ist dort Akademischer Rat. Dr. James Kenneth Timmis ist aktuell an der Vrije Universiteit Amsterdam / Niederlande und wird ab 01.11.2023 am Seminar für Wissenschaftliche Politik als wissenschaftlicher Mitarbeiter forschen.
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