Wildtierschutz Deutschland e.V.
Bundesratsinitiative Wolfsmanagement: Desinformation von Politik und Öffentlichkeit
Berlin (ots)
Hanka Mittelstädt, Umweltministerin in Brandenburg, führt Politik und Öffentlichkeit mit ihrer Initiative zur Regulierung des Wolfsbestands hinters Licht:
Die Politikerin erweckte mit ihrer Rede auf der Sitzung des Bundesrats am 22. März zum einen den Eindruck, dass ein Bestandsmanagement von Wölfen zur "effektiven Minderung" von Schäden in der Nutztierhaltung führen könnte. Dafür gibt es bis dato in Europa und auch in den USA keine Belege. Im Gegenteil. Laut Studien hat die Jagd auf den Wolf in der Slowakei die Risszahlen nicht spürbar verringert.[1] In Slowenien sanken die Risszahlen auch nach 15 Jahren Bejagung nicht.[2] Ebenso wenig in Frankreich. In Spanien hat die Lizenzjagd von Wölfen sogar zu mehr Rissen geführt.[3]
Mittelstädt spricht von einer "zunehmenden Zahl von Wolfsrissen bei Weidetieren" und verdeutlicht das, indem sie Zahlen von 2006 den Daten von 2022 gegenüberstellt. Tatsache ist, dass zwar in den Bundesländern, in denen sich Wolfsrudel erst niederlassen und sich bisher nur wenige Rudel gebildet haben, die Übergriffe auf überwiegend ungeschützte Weidetiere häufen. Die Ministerin verschweigt, dass in den wolfsreichsten Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen die Zahl der Übergriffe auf Weidetiere seit Jahren stagniert oder wie 2024 signifikant zurückgeht.
Ihre Behauptung, dass das Nebeneinander von Wolf und Mensch zu erheblichen Akzeptanzproblemen im ländlichen Raum führe, ist ebenfalls widerlegt. Die Savanta-Studie (2023) belegt, dass entgegen den Stimmen der sich als Sprachrohr der ländlichen Bevölkerung gerierenden Bauern- und Jagdverbände die überwältigende Mehrheit der Landbevölkerung in zehn EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, der Meinung ist, dass große Beutegreifer, darunter auch Wölfe, in der EU weiterhin streng geschützt sein und ein Recht auf Koexistenz mit dem Menschen haben sollten.[4]
"Nur durch guten Herdenschutz ist ein Zusammenleben von Wolf und Weidewirtschaft möglich", erläutert Lovis Kauertz, Wildtierschutz Deutschland. "Jagd kann den Herdenschutz nicht ersetzen, im Gegenteil: Herdenschutz funktioniert dort, wo stabile ungestörte Wolfsrudel leben, die es gelernt haben, dass Zäune weh tun. Diese Wölfe geben ihre Erfahrungen an ihre Nachkommen weiter und halten fremde Wölfe auf Distanz." Die "IG Herdenschutz plus Hund" in Sachsen-Anhalt zeigt, dass effizienter Herdenschutz möglich ist - ohne Jagd auf Wölfe: Seit sechs Jahren haben die beteiligten Weidetierhaltenden mit insgesamt etwa 25.000 Tieren keinen einzigen Riss zu vermelden.
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Fakten zu den drei wolfsreichsten Bundesländern
In Deutschland lebten die meisten der 209 Wolfsrudel zuletzt (Monitoring-Jahr 2023/24) in Brandenburg (58), gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37). Genau in diesen Bundesländern ist die Zahl der Nutztierschäden und der Risse - trotz leicht zunehmender Wolfsdichte und immer noch unzureichender Herdenschutzmaßnahmen - in den letzten drei Jahren rückläufig:
In Brandenburg hat die Zahl der Wölfe (ein Rudel hat ca. 8 Tiere) im Monitoring-Jahr 2023/24 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 430 auf 484 Tiere zugenommen (12,6 %). Gleichwohl ist die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere, bei denen der Wolf als Verursacher nicht ausgeschlossen wurde, 2024 signifikant von 358 im Vorjahr auf 279 Rissereignisse zurückgegangen - ein Rückgang von 22 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit 2020. Etwa 90 Prozent der Risse betrafen Schafe und Ziegen, gefolgt von Rindern und Gehegewild (hauptsächlich Damwild). Nur bei 12 Prozent der Übergriffe waren die Weidetiere gemäß der vom Landesamt für Umwelt empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen geschützt.
Ein ähnliches Bild in Niedersachsen: Zunahme der Anzahl der Wölfe 2023/24 um 18 Prozent von 345 auf zuletzt 407 Tiere (2023/24). Auch hier ist die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere 2024 signifikant zurückgegangen, von ca. 268 Übergriffen im Jahr 2023 auf noch ca. 238 Übergriffe 2024.
In Sachsen ist die Anzahl der Wölfe im letzten Berichtszeitraum bis 2024 sogar um 6,2 Prozent zurückgegangen, von 322 auf 302 Wölfe. Ebenso die Rissereignisse: Wurden 2023 wurden noch 274 Übergriffe gemeldet, waren es 2024 nur noch 225.
"Es lässt sich festhalten, dass einerseits der Wolfsbestand in den wolfsreichsten Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen nur noch langsam wächst: Im letzten Berichtsjahr nur noch um 8,7 Prozent. Andererseits ist die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere erheblich rückläufig - und zwar ganz ohne (legale) jagdliche Eingriffe," so Lovis Kauertz, Wildtierschutz Deutschland. "Das lässt sich insbesondere auf zunehmende, wenn auch oft noch nicht ausreichende, Herdenschutzmaßnahmen zurückführen."
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[1] s. etwa M. Kutal et al.: Testing a conservation compromise: No evidence that public wolf hunting in Slovakia reduced livestock losses; in Conservation Letters, November 2023
[2] Krofel M. et al: Effectiveness of wolf (Canis lupus) culling to reduce livestock depredations, 2011
[3] BN informiert: Der Wolf in Bayern, Bund Naturschutz, 2024
[4] Savanta (2023): Understanding Rural Perspectives. A survey on attitudes towards large carnivores in rural communities.
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