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dpa-Faktencheck

Angela Merkel war keine Bekannte der NSU-Terroristen

Berlin (ots)

Auf Facebook und Twitter teilen Nutzer eine Foto-Collage, die Angela Merkel "in trauter Eintracht mit den zwei alten Bekannten" Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zeigen soll. Merkels Bekanntschaft mit den Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sei der Grund dafür, warum die NSU-Akten angeblich auf ihr Geheiß hin 125 Jahre lang unter Verschluss bleiben sollen. (https://perma.cc/AXX5-NN6H)

BEWERTUNG: Merkel war nicht mit den NSU-Terroristen befreundet, sondern traf als Politikerin Anfang der 1990er-Jahre rechtsradikale Jugendliche zum Gespräch.

FAKTEN: Die Bilder sind nicht gefälscht, auf vier der Aufnahmen ist die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Zeit als Familien- und Jugendministerin zu sehen. Für ein Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus suchte die CDU-Politikerin im August 1992 das Gespräch mit rechtsradikalen Jugendlichen in Rostock-Lichtenhagen. Im April 1993 besuchte sie außerdem einen rechten Jugendclub in Magdeburg. So entstanden die Fotos, die in Rostock ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur schoss (http://dpaq.de/Uh0CS). Über den Termin in Magdeburg schrieb eine anwesende dpa-Reporterin.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Fotos von Merkel und den nicht namentlich bekannten rechtsextremen Jugendlichen die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zeigen, die damals Teenager waren. Böhnhardt saß im Gefängnis, als Merkel 1993 Magdeburg besuchte (http://dpaq.de/YY11V).

Die Foto-Collage und die Behauptung, Merkel habe in Kontakt mit Neonazis gestanden, sind nicht neu und tauchen immer wieder auf. Andere unabhängige Faktenchecker haben sie bereits 2016 und 2019 widerlegt (http://dpaq.de/WS62C und http://dpaq.de/MFFmA). Einer der frühesten Belege der Foto-Collage ist der Bericht einer russischen Boulevardzeitung im Februar 2015, die als Quelle der Bilder den angeblichen deutschen Ableger von Anonymous nennt (http://dpaq.de/UfC5Z). Dabei handelt es sich jedoch nicht um die gleichnamige Hackergruppe, sondern um eine rechtsextreme Hetzseite. Von Anonymous' Posting existieren nur noch Screenshots (http://dpaq.de/WS62C), weil die Facebook-Seite mittlerweile gelöscht wurde (http://dpaq.de/C9TLw).

Akten über den NSU haben Verfassungsschutzämter mehrerer Bundesländer als Verschlusssache eingestuft, es gibt also nicht "die NSU-Akten". Eine ähnlich lange Sperrfrist wie die nun verbreiteten 125 Jahre ist nur aus Hessen bekannt. Die Landesregierung stellte Akten des hessischen Verfassungsschutzes zum NSU 120 Jahre lang unter Verschluss. Die Bundeskanzlerin war an diesem Vorgang nicht beteiligt. Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 verkürzte die hessische Regierung die Sperrfrist von 120 auf 30 Jahre (http://dpaq.de/Mp0zU).

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Links:

Aktueller Tweet, der wortgleich oder als Screenshot auch anderswo verbreitet wird (3.5.2020): https://twitter.com/ChrisKhl2/status/1256804672737882113 (archiviert: http://dpaq.de/Fqaxc)

Facebook-Post (3.5.2020): https://www.facebook.com/photo.php?fbid=238477207591671&set=a.118213846284675&type=3&theater (archiviert: http://dpaq.de/W2cgo)

dpa-Foto aus Rostock 1992 und Hintergrund über den Termin (22.8.2017): https://www.sueddeutsche.de/politik/ein-bild-und-seine-geschichte-als-merkel-mit-rostocker-rechtsradikalen-sprach-1.3614739

Faktencheck Correctiv (29.4.2019): http://dpaq.de/MFFmA

Faktencheck Mimikama (18.3.2016): http://dpaq.de/WS62C

Bericht russischer Boulevardzeitung (9.2.2015): https://www.nnov.kp.ru/daily/26339/3222632/?cp=11 (archiviert: http://dpaq.de/LODW5)

Facebook-Seite von Anonymous gelöscht (21.5.2016): https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hass-im-netz-facebook-loescht-bekannte-hetzseite.aefb4554-1f19-4728-abac-b9aa74e7b7f7.html

Böhnhardts Gefängnisaufenthalt 1993 (17.6.2014): https://www.sueddeutsche.de/politik/spaeterer-nsu-terrorist-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-boehnhardt-wegen-mord-an-jungen-1.2003924

Sperrfrist der hessischen NSU-Akten reduziert (24.2.2020): https://www.zeit.de/news/2020-02/24/petition-fordert-freigabe-von-nsu-akten-in-hessen

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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