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dpa-Faktencheck

Vergleich der Entwicklung von Renten und Abgeordnetendiäten nicht aussagekräftig

Berlin (ots)

Wie gut sie im Alter abgesichert sind, bewegt viele Menschen in Deutschland. "Unsere Rente sinkt seit 1977", heißt es dazu in einem Beitrag auf Facebook. Beschrieben wird das angebliche Rentenniveau 2002, der angebliche derzeitige Stand und eine Prognose für das Jahr 2030. "Im selben Zeitraum haben sich Politiker ihre Diäten um 270% erhöht." (http://dpaq.de/o2dsI).

BEWERTUNG: In dem Beitrag werden falsche Zahlen zur Rentenentwicklung verwendet und falsche Schlüsse gezogen. Bei der Darstellung von Politikerdiäten wurde die Erhöhung falsch berechnet und die Inflation nicht einbezogen.

FAKTEN: Die Rente sinkt nicht, sie wird sogar regelmäßig erhöht (http://dpaq.de/pIzfw). Was sinkt, ist das Rentenniveau - eine statistische Messgröße. "Das Rentenniveau misst tatsächlich lediglich, wieviel Prozent des Durchschnittslohns die Standardrente beträgt", sagt der Leiter der Abteilung Alterssicherung/Sozialpolitik am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, Johannes Rausch, der Deutschen Presse-Agentur. Die Deutsche Rentenversicherung schreibt auf ihrer Homepage: "Ein Absinken des Rentenniveaus heißt nicht, dass die Brutto-Renten sinken. Das ist durch die Rentengarantie sogar gesetzlich ausgeschlossen. Sie werden auch künftig steigen, aber nicht so stark wie die Einkommen." (http://dpaq.de/2OWRX)

Die Höhe des Rentenniveaus ist eine politische Entscheidung und Gegenstand politischer Konflikte. Sozialverbände (http://dpaq.de/bBn05) und die Partei Die Linke (http://dpaq.de/kO5Oi) fordern eine Anhebung.

Die im Facebook-Beitrag dargestellten Zahlen zur Entwicklung des Rentenniveaus sind nicht ganz korrekt: 2002 betrug das Rentenniveau 52,9 Prozent, nicht wie im Post dargestellt 54 Prozent. Derzeit liegt es bei 48,2 und nicht bei 50 Prozent. Im Jahr 2030 muss das Rentenniveau gesetzlich festgelegt mindestens 43 Prozent betragen. Die Deutsche Rentenversicherung prognostiziert aber ein leicht höheres Niveau von 44,3 Prozent (http://dpaq.de/2OWRX).

Das sinkende Rentenniveau lässt sich allerdings nicht mit angeblich steigenden Politikerdiäten ins Verhältnis setzen. "Hier wird eine Abnahme postuliert und zu einer Zunahme ins Verhältnis gesetzt, die beide sachlich erst mal nichts miteinander zu tun haben", sagt Johannes Geyer, Rentenexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Eine Verhältnisgröße wie das Rentenniveau sei etwas anderes als der absolute Geldwert einer Abgeordnetenentschädigung.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Facebook-Beitrag auf die Abgeordnetenentschädigung der Mitglieder des Bundestages bezieht, nicht etwa auf Landtagsabgeordnete. In den Kommentaren unter seinem Post verlinkt der Verfasser eine entsprechende Aufstellung (http://dpaq.de/cVw69).

Die Behauptung, Politikerdiäten hätten sich um 270 Prozent erhöht, ist aus zwei Gründen falsch: Vergleicht man die Höhe der Diäten im Jahr 1977 und im Jahr 2020, so haben sie sich rein rechnerisch nur um rund 163 Prozent erhöht. Diese Rechnung ist jedoch grundsätzlich unangemessen, da die Inflation nicht einberechnet wird. Inflationsbereinigt sind die Diäten von Bundestagsabgeordneten zwischen 1977 und 2020 um rund zehn Prozent gestiegen. Das ergibt sich aus einer Rechnung mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes, den das Statistische Bundesamt herausgibt (http://dpaq.de/OWYLe).

Die Diäten von Bundestagsabgeordneten stiegen lange weniger stark als die durchschnittlichen Bruttolöhne (http://dpaq.de/cVw69). Auf der Seite des Bundestags findet man die Entwicklung der Höhe der Diäten im Datenhandbuch des Bundestags (http://dpaq.de/WdUby - S. 731; 1949 bis 1999: http://dpaq.de/hNlfr - S. 3215).

Seit 2016 werden die Diäten jährlich an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst (http://dpaq.de/cWxS6). Am 7. Mai 2020 beschloss der Bundestag allerdings ein Gesetz zur Aussetzung des Anpassungsverfahrens für das Jahr 2020 (http://dpaq.de/hfbV4). Damit verzichten die Bundestagsabgeordneten angesichts der Coronakrise befristet auf die planmäßige Erhöhung ihrer Diäten.

"Politiker, die lange genug im Bundestag waren, sind finanziell besser abgesichert als Empfänger einer staatlichen Rente. Aber dass sich Politiker exorbitant bereichern würden, ist nicht zutreffend", sagt DIW-Forscher Geyer.

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Links:

Facebook-Post mit Behauptung: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3314035461964199&set=a.952250894809346 (archiviert: https://archive.vn/G8Xb2)

Meldung des Bundesarbeitsministeriums über aktuelle Rentenerhöhung: https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/renten-steigen-zum-1-juli-in-west-und-ost.html# (archiviert: http://dpaq.de/LKt4k)

Informationen der Deutschen Rentenversicherung zum Rentenniveau: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/Wissenswertes-zur-Rente/FAQs/Rente/Rentenniveau/Rentenniveau_Liste.html# (archiviert: http://dpaq.de/wwyP7)

Stellungnahme des SoVD zum Bericht der Rentenkommission der Bundesregierung "Verlässlicher Generationenvertrag": https://www.sovd.de/publikationen/stellungnahmen/rente-09042020-1 (archiviert: http://dpaq.de/c795b)

Diskussion zur Forderung der Bundestagsfraktion der Linken nach Anhebung des Rentenniveaus: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw04-pa-arbeit-soziales-alterssicherung-485944 (archiviert: http://dpaq.de/QqCnN)

Übersicht der Diäten-Entwicklung für Bundestagsabgeordnete und Vergleich mit durchschnittlichen Bruttolöhnen: https://glaeserner-abgeordneter.de/infotour/diaeten?fbclid=IwAR27LnkRrqTJeDAeKb1PH2OJxpkIORDrewTu7w5ugOFZoPwUHP5HjxPqZoc (archiviert: http://dpaq.de/nF40A)

Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung im Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1994 bis 2003 (PDF): https://www.bundestag.de/resource/blob/189498/4b3f91ce2df0df2fc96b28172930e5f1/datenhandbuch1994_2003-data.pdf (archiviert: http://dpaq.de/iw5iB)

Link zum zip-Download des Datenhandbuchs zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999: https://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/datenhandbuch_archiv (archiviert: http://dpaq.de/Ct1D1)

Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes, siehe Tabelle "Lange Reihen ab 1948": https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/_inhalt.html#sprg238948 (archiviert: http://dpaq.de/nz8kx)

Bekanntmachung der Anpassung der Abgeordnetenentschädigung zum 1. Juli 2016: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/081/1808110.pdf (archiviert: http://dpaq.de/wVH0f)

Bundestag: Beschluss des Gesetzes zur Aussetzung des Anpassungsverfahrens für das Jahr 2020: http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2020/0219-20.pdf (archiviert: http://dpaq.de/g0VSH)

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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