USA: Apartheidopfer klagen gegen deutsche Firmen
Frankfurt/M. (ots)
medico international fordert Streichung der Apartheidschulden und Einrichtung eines Entschädigungsfonds
Die Südafrikanerin Catherine Mlangeni ist eine der Klägerinnen gegen 20 internationale Firmen und Kreditinstitute - darunter auch mehrere deutsche Unternehmen -, gegen die der renommierte US-amerikanischen Anwalt Michael Hausfeld am Montag Nachmittag vor einem US-Gericht Schadensersatz-Klage eingereicht hat. Catharine Mlangeni verlor ihren Sohn Bheki bei einem Briefbombenattentat 1991. Mlangeni war ein renommierter schwarzer Anwalt, der gegen die Todesschwadrone prozessierte. Das kostet ihn das Leben. Seine Mörder wurden im Rahmen der Wahrheits- und Versöhnungskommission amnestiert. Seine Familie verlor einen Sohn, Vater und Ehemann und den wichtigsten Verdiener. "Als mein Sohn Rechtsanwalt wurde, dachte ich alle meine Sorgen seien vorbei", so Mlangenis Mutter. "Nun bin ich so arm wie zuvor". Denn weder sie noch die anderen Tausenden Apartheid-Opfer, die vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission ausgesagt hatten, haben je die versprochene Entschädigung erhalten. Gemeinsam mit fünfhundert Apartheid-Opfern der Selbsthilfeorganisation "Khulumani" trat Catherine Mlangeni am Dienstag Vormittag in Johannesburg vor die Presse, um die Einreichung der Klage in den USA als "ein Zeichen der Hoffnung" zu feiern.
"Nach Jahren zähen Ringens um Entschädigung" so der Geschäftsführer von medico international, Thomas Gebauer auf einer zeitgleich in Berlin stattfindenden Pressekonferenz, "ist die Klage Ausdruck für eine tiefe Enttäuschung der Opfer, die Unrecht erlitten aber bis heute keine Entschädigung erhalten haben." Die Frankfurter Hilfsorganisation unterstützt die Arbeit von Khulumani seit ihrer Gründung, weil "die Zukunft Südafrikas in entscheidendem Maße davon abhängt, wie es dem Land gelingt, mit seiner verbrecherischen Vergangenheit umzugehen und die Opfer dieser Verbrechen politisch und sozial zu rehabilitieren", so Gebauer.
Gemeinsam mit anderen deutschen Nichtregierungsorganisationen setzt sich medico international deshalb seit vielen Jahren in der "Internationalen Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika" auch dafür ein, dass die deutschen Unternehmen und Banken, die an der Zusammenarbeit mit der Apartheid verdient haben, politische und finanzielle Verantwortung für ihre Unterstützung der Apartheid übernehmen. "Immer wieder haben wir vor der Aktionärsversammlung der Deutschen Bank demonstriert und Briefe an betroffene Unternehmen versandt, um auf das Problem der Apartheid-Opfer und deren schwierigen sozialen Situation hinzuweisen. Man hat uns nicht einmal angehört", so Gebauer. "Hätte man mit uns gesprochen, hätte der juristische Weg vermieden werden können."
Nun werden 20 Großunternehmen, darunter von deutscher Seite die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Commerzbank, Daimler Chrysler und Rheinmetall in der mehr als 100 Seiten umfassenden Klageschrift Michael Hausfelds auf Schadensersatz verklagt.
Hintergrund für die Klage gegen die Banken ist die Tatsache, dass der deutsche Nettokapitalexport nach Südafrika zwischen 1985 und 1993 2,13 Milliarden Euro entsprach, von denen der weitaus größte Teil zur Finanzierung des öffentlichen Sektors und damit der Infrastruktur des Regimes selbst verwendet wurde. Die deutschen Banken erheben auf 27,3 Prozent der südafrikanischen Auslandsschulden im öffentlichen Sektor Anspruch. Damit reklamieren sie in gewisser Weise für sich auch, der wichtigste Direktfinanzier der Apartheid gewesen zu sein. Deutsche und Schweizer Banken spielten eine führende Rolle, als sie im "Technischen Komitee" im September 1985 dem bereits schwer angeschlagenen Apartheid-Regime Umschuldungen ohne jede politische Auflage gewehrt wurden. Damit hat man nicht nur die Apartheid noch weitere neun Jahre am Leben erhalten, man hat die Sicherung seiner eigenen Pfründe vor die Wahrung der Menschenrechte gestellt.
Hintergrund der Klage gegen Daimler-Chrysler und Rheinmetall ist die Verwicklung dieser Firmen in äußerst fragwürdige Rüstungsgeschäfte mit Apartheid-Südafrika. Rheinmetall hat zum Beispiel 1977 unter falschen Angaben eine komplette Munitionsabfüllanlage über Paraguay nach Südafrika geliefert. Daimler Benz lieferte 1978 2.500 Unimogs und klassifizierte sie für den nicht-militärischen Gebrauch. Tatsächlich wurde der Unimog zur Standard-Ausrüstung in der südafrikanischen Armee.
Auf der Berliner Pressekonferenz wiederholte medico international die Forderung der "Internationalen Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika", die jetzt durch die Einreichung der Klage eine juristische Untermauerung erfahren haben:
- bedingungslose Streichung der unter der Apartheid entstandenen Auslandsschulden
- Rückzahlung der vom demokratischen Südafrika bereits erstatteten Schulden
- Wiedergutmachungszahlungen durch die deutschen Unternehmen, die an der Apartheid profitiert haben, in einen Fonds, der individuelle Entschädigungen an die Opfer des Apartheid-Regimes auszahlt und zugleich Maßnahmen finanziert, die eine demokratischen und soziale gerechten Entwicklung in Südafrika fördern.
Die deutschen Mitglieder der internationalen Kampagne sind neben medico international: Solidaritätsdienst International (SODI), Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA), Koordination Südliches Afrika (KOSA)
Für weitere Nachfragen wenden Sie sich bitte an:
Katja Maurer, medico-Pressesprecherin, medico 01711221261 Anne Jung, medico-Kampagnen-Koordinatorin 069-9443827 Theo Kneifel, Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika 0027 83 44 93 934
Die Klageschrift ist ab 14.30 Uhr unter www.cmht.com einsehbar.
Ein umfassendes Pressedossier finden Sie unter www.medico.de
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