Corona: Magersucht bei Kindern und Jugendlichen steigt rasant
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Corona: Magersucht bei Kindern und Jugendlichen steigt rasant
Die Corona-Pandemie treibt nicht nur die Belegung auf den Intensivstationen nach oben. Auch die Überweisungen in Kinder- und Jugendpsychiatrien sind so hoch wie nie. Besonders stark steigen die Erkrankungszahlen bei den Essstörungen, allen voran der Magersucht.
Schulschließungen, Quarantäne, Abstand halten: Corona verlangt Kindern und Jugendlichen viel ab. Ein Anstieg der Verhaltensstörungen und psychischen Erkrankungen ist die Folge. Die Nachfrage nach Psychotherapien steigt, viele niedergelassene Therapeuten sind langfristig ausgebucht. „Seit dem Ende der Sommerferien verzeichnen wir eine enorme Zunahme der Überweisungen und Anfragen. Besonders dramatisch ist die Zunahme der Essstörungen und bei jungen Mädchen speziell der Magersucht. So viele und auch so schwere Fälle wie aktuell haben wir noch nie zuvor behandelt“, sagt Dr. Andries Korebrits, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Helios Park-Klinikum Leipzig. Prinzipiell können auch Jungen an Magersucht erkranken, jedoch sind Mädchen in weitaus stärkerem Maß davon betroffen.
Ursachen der Magersucht
Die Gründe für das immer häufigere Auftreten der Magersucht sind zwar vielfältig – stehen aber oft in Verbindung mit der Corona-Pandemie. Zum Wegfall des üblichen Tagesablaufs während des Lockdowns und der Schulschließungen kommt das Fehlen der sozialen Kontakte. Zudem müssen sich die Kinder an einen neuen Alltag gewöhnen: Viele sind durch Homeschooling und Homeoffice entweder ganztägig mit den Eltern zu Hause – oder den kompletten Tag allein, bis diese abends von der Arbeit kommen. „In der Pandemie haben die Kinder und Jugendlichen dann auch mehr Zeit in den Sozialen Medien wie Instagram oder Snapchat verbracht. Die Bilder, die sie dort sehen, halten sie für die Realität und denken nicht daran, dass häufig Filter eingesetzt werden“, sagt Dr. Korebrits.
Der Beginn der Magersucht fällt oft zusammen mit der Pubertät – einer Zeit, in der die Kinder eigenständiger werden und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Hunger auszuhalten, wird als „cool“ empfunden. Und die verlorenen Kilogramm auf der Waage zeigen den Heranwachsenden, dass sie Kontrolle über sich selbst haben. „Der fehlende soziale Kontakt begünstigt die Entwicklung der Magersucht, weil ein wichtiges Korrektiv nicht mehr vorhanden ist“, so der Experte.
Alarmsignale einer Essstörung für Eltern
Eine Essstörung hat viele Gesichter. Trägt das Kind nur noch weite Kleidung, unter denen sich die Figur gut verstecken lässt und bekommen die Eltern es nicht mehr in Unterwäsche im Badezimmer zu Gesicht, kann das bereits ein erster Hinweis sein. Nicht selten nehmen Betroffene anfangs sehr rasant ab, zwei bis drei Kilogramm pro Woche sind keine Ausnahme. Riecht es im Bad immer wieder sauer, deutet das darauf hin, dass das Kind sich erbricht. „Häufig können Eltern auch eine Wesensveränderung feststellen, beispielsweise einen sozialen Rückzug. Die Kinder und Jugendlichen brechen dann sogar den Kontakt zur besten Freundin oder zum besten Freund ab. Oft geraten sie auch in eine depressive Phase oder reagieren zunehmend emotionslos“, sagt der Leipziger Chefarzt. Und auch das Essverhalten verändert sich: Magersüchtige essen immer kleinere Portionen, fette Sachen bleiben auf dem Teller, es werden sprichwörtlich nur noch die Erbsen aus dem Essen gelesen. Gemeinsame Mahlzeiten werden vermieden, dann heißt es oft: „Ich habe schon in der Schule oder woanders gegessen.“
Der beste Weg, eine Magersucht bereits in den Anfängen zu erkennen oder sie sogar zu verhindern, ist laut Korebrits, dass Eltern immer im Gespräch mit ihren Kindern bleiben. „Bemerkt man erste Hinweise einer Essstörung, kann man ganz offen mit seinem Kind darüber sprechen, dass man sich Sorgen macht. Gleiches gilt für den Medienkonsum.“ Verbote findet der Chefarzt schwierig, weil sie eine Konfliktspirale erzeugen können. Niemals den engen Kontakt zum Kind zu verlieren, ist hingegen eine der wichtigsten Handhaben.
Magersucht-Therapie muss gewollt sein
Die Behandlung einer Magersucht ist anfangs vor allem viel Überzeugungsarbeit. „Die meisten unterschätzen, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. In der Klinik müssen wir erst den Ernst der Lage vermitteln, um die Patientinnen für die Therapie zu gewinnen. Sie zum Mitmachen zu bewegen, ist aber der wichtigste Therapieschritt“, sagt Dr. Korebrits.
Haben die Mädchen ihr Gewicht deutlich erhöht, sollen sie lernen, ihren Körper wieder zu akzeptieren. Helfen können dabei Sport- und Bewegungstherapie, Ergotherapie, Kunsttherapie oder Verhaltens- und Gesprächstherapie. „Diese Angebote nehmen die Kinder und Jugendlichen in der Gruppe oder auch einzeln wahr. Je stabiler ihr Körpergewicht, desto mehr können wir sie in das Therapieprogramm einbinden und desto strukturierter ist ihre Woche. Das ist extrem wichtig für sie“, so der Chefarzt.
Wichtig ist, dass die Eltern dem Kind zu keiner Zeit die Schuld an der Situation geben. Stattdessen sollten sie das Kind während der gesamten Therapie liebevoll begleiten und bestmöglich unterstützen.
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