„Vielleicht braucht es doch eine Art Ost-Quote“
Ein Land, 16 Bundesländer, 32 Botschafterinnen und Botschafter. Zum diesjährigen Tag der Deutschen Einheit zeigt Deutschland Gesicht: In ganz persönlichen Protokollen stellen die Einheitsbotschafter sich und ihre Idee der Deutschen Einheit vor.
„Vielleicht braucht es doch eine Art Ost-Quote.“
Einheitsbotschafterin Thüringen – Olivia Vieweg
Olivia Vieweg (33) ist in Jena aufgewachsen, im Plattenbaugebiet Jena-Lobeda, gleich neben der Autobahn. Sie legt ausdrücklich Wert darauf, dass sie dort eine glückliche Kindheit verbracht hat. Später machte sie ihre Leidenschaft, das Comic-Zeichnen, zum Beruf. Olivia studierte an der Bauhaus-Uni Weimar, ist längst erfolgreiche Comic-Autorin und Drehbuchschreiberin. Manchmal versucht sie sich vorzustellen, was in der DDR aus ihr geworden wäre. Sie ist froh, dass sie nach der Wiedervereinigung aufwachsen durfte. Mit ihrem Partner aus Hessen hat sie in Thüringen eine Familie gegründet.
Ich war zwei, als die Mauer fiel. Lustiger Zufall, dass mein Geburtstag, der dritte Oktober, später zum Tag der Deutschen Einheit wurde. Nach der Schule wollte ich unbedingt möglichst weit weg von Thüringen studieren, also mindestens Berlin oder Leipzig. Ich habe es schließlich gerade mal 30 Kilometer weit geschafft, bis nach Weimar. Aber hier konnte ich Visuelle Kommunikation studieren, genau das, was mir vorschwebte.
An meinem Heimatland Thüringen fasziniert mich die bunte Mischung. Von Weimar aus braucht man nur eine Stunde und ist in einer anderen Welt, im Norden der Harz mit Fachwerk-Idylle, im Süden der magische Thüringer Wald mit lauter touristischen Geheimtipps. Spannende Industriestädte auf der einen Seite und nebenbei die ganze Hochkultur.
Manchmal versuche ich mir vorzustellen, was in der DDR aus mir geworden wäre, also wenn ich in der Generation meiner Eltern gelebt hätte. Wäre ich als Künstlerin systemkonform, hätte deshalb immer genug Aufträge? Oder wäre ich eher aufmüpfig und hätte ständig Probleme mit dem Land? Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nach der Wiedervereinigung aufwachsen durfte. Mein Partner kommt aus Hessen, wir haben zusammen zwei Kinder. Manchmal reden wir in der Familie über das Thema Einheit. Unser Großer ist jetzt acht, er versteht schon, dass es mal zwei sehr unterschiedliche Deutschlands gab.
Was mich nach wie vor stört: Nach der Wende gab es keine Gerechtigkeit bei der Besetzung der Eliten. Hochschulen, Gerichte, Medien – die wichtigen Posten haben Leute aus dem Westen unter sich verteilt. Jetzt sind mehr als 30 Jahre vergangen, aber diese Netzwerke dominieren noch immer die Institutionen. Vielleicht braucht es doch eine Art Ost-Quote. Ähnlich ist es in Filmen über den Osten. Sehr oft wird da aus West-Perspektive erzählt. Das muss nicht falsch sein, aber ich finde es nicht fair.
Mit freundlichen Grüßen Susanne Bethke Projektleiterin Bundesratspräsidentschaft/ Tag der Deutschen Einheit 2021
Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt Hegelstraße 40 - 42 39104 Magdeburg
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