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Technische Universität München

Dank Exoskelett und Elektrostimulation: Nach dem Schlaganfall schnell wieder bewegen

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Zusammenwirken von Exoskelett und Elektrostimulation

Nach dem Schlaganfall schnell wieder bewegen

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben ein System entwickelt, mit dem Patientinnen und Patienten schon kurz nach einem Schlaganfall wieder lernen können, von Lähmungen betroffene Arme und Hände zu bewegen. Eine gezielte Anregung der Muskulatur im Unterarm und ein Exoskelett sind dafür nötig. 24 Schlaganfall-Betroffene haben das System in der Schön Klinik Bad Aibling bereits getestet.

Die Forschenden regen durch so genannte funktionale Elektrostimulation (FES) gezielt Muskeln im Unterarm an. Das ist etwa nötig, um Finger zu bewegen, Dinge zu greifen oder Bälle zu fangen. Da bei einer halbseitigen Lähmung nach einem Schlaganfall in der Regel jedoch nicht nur die Hand betroffen ist, sondern die gesamte Körperseite, unterstützt ein Gerüst zusätzlich den gesamten Arm bis zur Schulter.

Modulares System mit Computerspiel: Selbstständig trainieren

24 Schlaganfall-Betroffene haben das Gesamtsystem aus einem Exoskelett für Arm und Schulter in Kombination mit der FES im Rahmen des Forschungsprojektes ReHyb bereits eingesetzt – die Hälfte von ihnen in der Schön Klinik Bad Abling Harthausen, die die Leitung der Studie übernommen hatte. Um das Greifen und Bewegen des Arms sehr schnell nach dem Schlaganfall zu trainieren, setzen die Forschenden zudem auf ein Computerspiel, das sich im Schwierigkeitsgrad automatisch an die Fähigkeiten der Nutzenden anpasst: Auf einem Bildschirm kommen Bälle in verschiedenen Farben und Geschwindigkeiten auf die Patientinnen und Patienten zugeflogen. Die Aufgabe besteht darin, die Bälle zu fangen und den entsprechenden verschiedenfarbigen Fächern zuzuordnen.

Das Erfolgsgeheimnis: Digitaler Zwilling aus Muskelaktivität, Stärke der Stimulation der Muskeln und Exoskelett

Im Zentrum der Entwicklung von TUM-Professorin Sandra Hirche steht ein digitaler Zwilling, der die individuellen Voraussetzungen jeder einzelnen Patientin und jedes Patienten erfasst und in einen Regelkreis bringt. Unter anderem müssen die Forschenden bestimmen, wie gut jede Patientin und jeder Patient Arm und Hand bewegen kann. Bei einem Schlaganfall können Lähmungen beispielsweise durch eine Beschädigung des für die Bewegung zuständigen motorischen Areals im Gehirn entstehen. Doch lässt sich nicht vorhersagen, wie stark die Signale nach dem Schlaganfall beeinträchtigt sein werden, die vom Gehirn bis zur Muskulatur im Unterarm weitergeleitet werden. „Einzelne Muskelstränge in der Unterarmmuskulatur lassen sich im richtigen Maße anregen, um Hand und Finger zu bewegen“, sagt die Forscherin vom Lehrstuhl für Informationstechnische Regelung.

Neben Informationen zur Muskelaktivität im Unterarm müssen die Forschenden wissen, wie stark die Muskulatur stimuliert werden und wie stark das Exoskelett assistieren sollte. „Mithilfe von Algorithmen bringen wir diese individuellen Informationen in einem Regelkreis zusammen“, sagt die Expertin für Regelungstechnik Hirche. Dieser digitale Zwilling ist also nötig, um die Bewegung von Arm und Hand bei betroffenen Menschen individuell zu unterstützen.

Schön Klinik: Modulares System als Heimtrainer

Prof. Hirche spricht von einer intentionsgesteuerten intelligenten Regelung, da Patientinnen und Patienten sich mit Hilfe dieser Technologie nach einem Schlaganfall wieder ein Stück weit so bewegen können, wie sie es wollen. Und auch Carmen Krewer, Teamleiterin der Forschungsgruppe beim Kooperationspartner Schön Klinik aus Bad Aibling, ist begeistert: „Ein derart modulares System mit Elektrostimulation und Exoskelett gab es bisher noch nicht. Zudem ermöglicht es Betroffenen, auch ohne Unterstützung anderer zu Hause weiter zu trainieren.“

Zusatzinformationen für Redaktionen:

  • Was zum digitalen Zwilling des Systems gehört
    1. Muskelaktivität erfassen: Der Bewegungsapparat, die motorische Kontrolle und das Muskelnervensystem sind jeweils unterschiedlich stark vom Schlaganfall betroffen. Über eine Messung der elektrischen Spannung im Muskel lässt sich herausfinden, wie stark Nerven beeinträchtigt sind, die Signale vom Gehirn zu den Muskeln schicken sollen und letztlich für die Bewegung der Finger und der Hände zuständig sind.
    2. Unterarmmuskulatur stimulieren: Für die funktionale Elektrostimulation (FES) wird den Betroffenen eine Folie mit 32 Elektroden auf den Unterarm aufgeklebt. Je nachdem, welche Elektroden aktiviert werden, bewegen sich einzelne Finger, die Hand streckt sich oder zieht sich zusammen. Der Schwellenwert, ab dem sich Finger und Hand bewegen, ist individuell einstellbar.
    3. Mit Exoskelett stützen: Ein Exoskelett erleichtert es Betroffenen etwa über einen Federmechanismus oder über spezifische Motoren, ihren Arm oder ihre Schulter bewegen und drehen zu können. Diese Unterstützung ist nötig, da die Muskulatur der Arme durch die Erkrankung bereits geschwächt ist. Zudem wäre es schwierig, Elektroden etwa an der Schulter so anzubringen, dass die richtigen Muskeln angesteuert werden. Das Exoskelett trägt dazu bei, dass Patientinnen und Patienten wieder lernen, Hand, Arm und Schulter gemeinsam koordiniert zu bewegen.
  • Handschuh basiert als „Exoglove“ auf dem gleichen Prinzip:
    • Wie erfolgreich es sein kann, FES und Exoskelette in einem hybriden System zusammenzubringen, zeigt auch eine Studie über einen Handschuh, den gesunde Personen als Exoskelett tragen können. Entwickelt hat ihn Prof. Lorenzo Masia, Direktor des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der TUM. Bei gesunden Probanden erhöhte sich die Beweglichkeit der Finger gegenüber der reinen Elektrostimulation mit Hilfe des motorunterstützten Handschuhs um mindestens das Doppelte, beim Daumen sogar um das Dreifache.
    • Toward Dexterous Hand Functional Movement: Wearable Hybrid Soft Exoglove-FES Study; H. Kavianirad, F. Missiroli, S. Endo, L. Masia, S. Hirche; 2024; https://ieeexplore.ieee.org/document/10719731
  • Mehr zum EU-Projekt ReHyb (Rehabilitation based on hybrid Neuroprothesis): https://rehyb.eu/
  • Fotos zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/1773375
  • Video: https://youtu.be/OboVMCkM9Yk

Publikationen:

Framework for Learning a Hand Intent Recognition Model from sEMG for FES-Based control; N. Das, S. Endo, H. Kavianirad, S. Hirche; 2024; https://ieeexplore.ieee.org/document/10719910

Weitere Informationen:

Prof. Sandra Hirche ist im sowohl im Munich Institute for Data Science (MDSI) als auch im Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) engagiert. Weitere Informationen zu den Instituten: https://www.mdsi.tum.de/en/mdsi/home/ und https://www.mirmi.tum.de/mirmi/startseite/.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Sandra Hirche

Technische Universität München

Lehrstuhl für Informationstechnische Regelung

hirche@tum.de

Kontakt im TUM Corporate Communications Center:

Andreas Schmitz

Presse Robotik und KI

0162-27 46 193

presse@tum.de

www.tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 700 Professuren, 53.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinderinnen und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

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