Experten-Taskforce mahnt zu wirksamem Einsatz des geplanten Infrastruktur-Sondervermögens: Wer mehr Wirtschaftswachstum will, sollte Wohnungen bauen
Berlin (ots)
Die deutsche Volkswirtschaft steckt in einer zähen Wachstumskrise: Der Export lahmt auch als Folge geopolitischer Verwerfungen. Zudem fehlen Fachkräfte und Produktivitätszuwachs. In der Diskussion um das geplante Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen regt Prof. Dr. Bert Rürup, vormals Vorsitzender der Wirtschaftsweisen an, Impulse zur Stimulierung der Binnenkonjunktur vorrangig dort zu setzen, wo sie auf unterausgelastete Produktionskapazitäten und umsetzungsreife Projekte stoßen. Vor diesem Hintergrund hat eine von ihm geleitete unabhängige Experten-Taskforce Optionen bewertet. Ein Ergebnis: Eine Ankurbelung des Wohnungsbaus würde nicht nur das soziale Problem des Wohnungsmangels entschärfen, sondern zudem eine wichtige Voraussetzung für die Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte aus dem Ausland erfüllen. Darüber hinaus könnte durch einen Neubau von 50.000 preisgünstigen Mietwohnungen ein Wachstumsimpuls von etwa 0,5 Prozent erreicht werden.
Unter Leitung von Prof. Bert Rürup haben Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, Vertreter der Städte und Kommunen sowie der Gewerkschaften und Arbeitgeber Lösungen entwickelt, mit denen die gering ausgelastete Bau- und Wohnungswirtschaft dazu beitragen kann, sowohl die gesamtwirtschaftliche Leistung der deutschen Volkswirtschaft zu stimulieren, als auch die Wachstumsperspektiven der Volkswirtschaft zu verbessern. Initiator ist das übergreifende Unternehmens-Netzwerk "Neues Bauen - 80 Sekunden".
Die wichtigsten Forderungen der Taskforce:
- Förderung bezahlbarer Mietwohnungen gekoppelt an verbindliche Obergrenzen für die Baukosten
- Bessere Investitionsbedingungen im freifinanzierten Wohnungsbau durch steuerliche Anreize
- Gezielte Förderung der Wohneigentumsbildung durch zinsgünstige, nachrangige Darlehen
- Kurzfristige Senkung der Baukosten durch die bundesweite Umsetzung des Regelstandards "Erleichtertes Bauen" sowie von Gebäudetyp E
- Langfristige Senkung der Baukosten durch mehr serielles Bauen
"Der Wohnungsbau ist ein guter Hebel für einen sofortigen Konjunkturimpuls", erklärt auch Matthias Günther, Leiter des Pestel Instituts und ebenfalls Mitglied der Taskforce. Wirtschaftswachstum könne aus drei Quellen generiert werden: zusätzliche Innovationen, zusätzliche Erwerbspersonen und zusätzliche Investitionen. Günther: "Da das Produktivitätswachstum in Deutschland schwach ist und der Arbeitskräftemangel zunimmt, bleiben in der kurzen Frist vorrangig nur zusätzliche Investitionen, um das Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Die Investitionen in Wohnungen helfen auch bei der Gewinnung von Arbeitskräften."
Durch die demografische Entwicklung wechseln in Deutschland nach Einschätzung der amtierenden Regierung in den kommenden Jahren etwa 400.000 Menschen mehr in den Ruhestand, als junge Menschen ins Erwerbsleben nachrücken. "Ohne ein Angebot an bezahlbaren Wohnungen im Umkreis der beschäftigenden Unternehmen wird es schwer sein, qualifizierte ausländische Arbeitskräfte zu einer Zuwanderung nach Deutschland zu motivieren. Ein zunehmender Fachkräftemangel würde zu einer nachhaltigen Wachstumsbremse der Volkswirtschaft", betont daher Bert Rürup. Eine Empfehlung des Expertenteams: "Durch den Neubau von Werkswohnungen sowie die Umnutzung im Bestand könnte eine Voraussetzung für die erfolgreiche Anwerbung neuer Arbeits- und Fachkräfte geleistet werden."
Ob ein vollständiger Ausgleich fehlender Fachkräfte durch Zuwanderung zu erreichen ist, sei jedoch nicht wahrscheinlich. Deshalb brauche die deutsche Volkswirtschaft zusätzlich einen Rationalisierungsschub - nicht zuletzt in der Baubranche, um die Produktivität der Volkswirtschaft nachhaltig zu erhöhen. Die Taskforce erwartet, dass eine Ankurbelung des rückläufigen Wohnungsbaus auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Innovationen und neue Technologien erhöht.
"Die Baubranche hat freie Kapazitäten. Zudem gibt es Projekte, die bereits genehmigt, aber noch nicht begonnen wurden", betont Taskforce-Mitglied Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft. "Es braucht die richtigen Weichenstellungen: vereinfachte Rahmenbedingungen, verkürzte Verfahren, ein Anreiz für private Investitionen und die gezielte Förderung des bezahlbaren Bauens", so Voigtländer weiter.
Durch den zusätzlichen Neubau von zum Beispiel 50.000 preisgünstigen Mietwohnungen kann ein Wachstumsimpuls von etwa 0,5 Prozent erreicht werden. Prof. Dr. Bert Rürup: "Solch ein kurzfristiger Konjunkturimpuls ist sicher kein Königsweg, wohl aber ein Beitrag zur Lösung eines drängenden sozialen Problems und hätte damit das Potenzial, die Volkswirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen."
Mitglieder der unabhängigen Taskforce "Wachstumsinitiative Wohnungsbau"
Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, ehem. Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, (Leitung der Taskforce)
Niklot von Bülow, Direktionsleiter ZÜBLIN
Frank Dudda, Oberbürgermeister Herne
Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführung VIVAWEST
Prof. Birgit Guhse, Geschäftsführung Arcadis
Matthias Günther, Geschäftsführer Pestel-Institut
Christoph Heidenreich, Stadtbaurat Gelsenkirchen
Robert Kroth, Geschäftsführer Neues Bauen - 80 Sekunden
Thomas Kufen, Oberbürgermeister Essen
Angelique Renkhoff-Mücke, Vizepräsidentin Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Vorstandsvorsitzende Warema
Alexander Rychter, Direktor Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V.
Dr. Daniel Schubert, Leiter Unternehmensentwicklung Westenergie AG
Dr. Philipp Tilleßen, Direktor Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
Prof. Dr.-Ing. Christoph van Treeck, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Prof. Dr. Michael Voigtländer, Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)
Jörn-Michael Westphal, Geschäftsführer ProPotsdam
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