Unternehmen setzen auch in turbulenten Zeiten auf Übernahmen
Bain-Halbjahresreport zum weltweiten M&A-Markt
München/Zürich (ots)
- Globales M&A-Transaktionsvolumen könnte 2022 mit 4,7 Billionen US-Dollar den zweithöchsten Wert seit der Jahrhundertwende erreichen
- Technologiesektor ist für strategische Käufer besonders interessant
- Durch Zukäufe in volatilen Zeiten verschaffen sich Marktführer Wettbewerbsvorteile
- Mithilfe eines Stresstests lassen sich Risiken von M&A-Transaktionen in einem herausfordernden Umfeld nachhaltig reduzieren
Die weltweite M&A-Rekordjagd hält trotz hoher Inflation und drohender Rezession an. Und es zeichnet sich ab, dass das Transaktionsvolumen in diesem Jahr mit 4,7 Billionen US-Dollar den zweithöchsten Wert seit der Jahrhundertwende erreichen könnte. Lediglich im Ausnahmejahr 2021 war es mit 5,9 Billionen US-Dollar höher. Das hat der " Global M&A Report Midyear 2022" der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben. Darin werden nicht nur die jüngsten Entwicklungen analysiert. Auch wird aufgezeigt, wie sich Firmenkäufer mithilfe von Übernahmen selbst in turbulenten Zeiten einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen können.
Solide Bilanzen und hohe Cashflow-Zuflüsse fördern Kaufbereitschaft
"In den vergangenen Jahren haben die niedrigen Zinsen den M&A-Boom zusätzlich angeheizt", erklärt Bain-Partner Dr. Tobias Umbeck. "Mit der Zinswende der Zentralbanken erst in den USA und nun auch in Europa geht die Zeit des billigen Geldes dem Ende entgegen." Das träfe aktuell Finanzinvestoren mehr als strategische Käufer, da bei Letzteren in vielen Fällen die Bilanzen solide und die Cashflow-Zuflüsse hoch wären. Daher hätten sie weiterhin Zugang zu Fremdkapital. "Führende Unternehmen werden auch künftig Übernahmen tätigen, denn dies beschert ihnen dringend benötigte Kompetenzen", so Umbeck.
Im Fokus stehen dabei Technologieunternehmen. Ihr Anteil am gesamten Transaktionsvolumen der strategischen Käufer ist zuletzt signifikant gestiegen. Bain-Partner und Marktbeobachter Tobias Hürlimann stellt fest: "Die Corona-Pandemie hat in vielen Branchen die Digitalisierung noch einmal beschleunigt. Da Unternehmen die erforderlichen Kapazitäten oft nicht schnell genug aufbauen können, kaufen sie passende Spezialisten hinzu."
EBITDA-Multiple steigt deutlich
Der Angriff Russlands auf die Ukraine mit seinen Folgen für Konjunktur und Inflation hat daran kaum etwas geändert. Zwar ist das Transaktionsvolumen der strategischen Käufer von 970 Milliarden US-Dollar im vierten Quartal 2021 auf 599 Milliarden US-Dollar in den ersten drei Monaten 2022 gesunken. Doch schon im zweiten Quartal dürfte das vergleichbare Vorjahresniveau übertroffen worden sein - zumal die Bewertungen deutlich anziehen. Lag das durchschnittliche EBITDA-Multiple im ersten Quartal 2022 weltweit noch bei 11,0, stieg es im Frühjahr auf 16,7. Im Jahr 2021 hatte sich diese Kennzahl über alle vier Quartale hinweg auf 15,4 belaufen.
"Angesichts solcher Schwankungen und der generellen wirtschaftlichen Unsicherheit erscheint es nachvollziehbar, wenn sich Unternehmen erst einmal zurückhielten", sagt Hürlimann. "Allerdings wäre es unklug, denn gerade in volatilen Zeiten werden Märkte neu verteilt." Wer in dieser Phase weiter investiere, habe die Chance, der eigenen Branche über Jahre hinweg seinen Stempel aufzudrücken und überdurchschnittliche Renditen zu erwirtschaften. Laut einer Bain-Analyse, die bei weltweit rund 3.900 Unternehmen aus allen Branchen durchgeführt wurde, steigern die Gewinner einer Rezession in den 13 Jahren danach ihr EBIT im Durchschnitt um 14 Prozent. Dagegen haben Verlierer diesbezüglich mit Stagnation zu kämpfen. "Zukäufe erleichtern es, auf die Gewinnerseite zu kommen", so Hürlimann.
Akribische Vorbereitung ist unerlässlich
Allerdings bedürfen gelungene M&A-Transaktionen in einem herausfordernden Umfeld einer besonders gründlichen Vorbereitung. Nach Erfahrungen von Bain hilft ein Stresstest, die Risiken nachhaltig zu reduzieren. Dabei sollten derzeit fünf Themen im Mittelpunkt stehen:
- Kapitalwert. Die künftigen Cashflow-Zuflüsse haben entscheidenden Einfluss auf den Kaufpreis. Je länger die drohende Rezession dauert, desto niedriger könnten sie ausfallen.
- Verfügbarkeit von Kapital. Einschränkungen im internationalen Kapitalverkehr, nationale Regulierungen und der demografische Wandel könnten künftig die Aufnahme von Fremdkapital erschweren.
- Inflation. Können Unternehmen ihre Kosten nicht an ihre Kundschaft weitergeben, sinkt die Marge - ein entscheidender Faktor für die Bewertung.
- Scope versus Scale. In der Krise könnte sich die Konsolidierung einzelner Branchen beschleunigen. Auf Sicht sollte der Fokus jedoch weiterhin auf dem Erwerb zusätzlicher Kompetenzen liegen, um den disruptiven Wandel zu bewältigen.
- Deglobalisierung. Angesichts geopolitischer Spannungen gewinnen Zukäufe in der eigenen Region an Bedeutung.
Bain-Partner Umbeck empfiehlt Firmenkäufern, ihre Bewertungs- und Integrationsmodelle im Hinblick auf diese fünf Themen zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die M&A-Strategie müsse ebenso angepasst werden wie die Liste potenzieller Zielunternehmen. Auch gelte es mit Banken über künftige Finanzierungskonditionen zu sprechen. "In turbulenten Zeiten bieten sich oft die besten Möglichkeiten für Zukäufe", betont Umbeck. "Je schneller sich Unternehmen auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen, desto größer sind ihre Chancen auf einen dauerhaften Wettbewerbsvorsprung."
Bain & Company
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