Bain-Analyse zur Automobilindustrie: Auch Kfz-Hersteller geraten nun unter Margendruck
München/Wien/Zürich (ots)
- Durch rückläufige Nachfrage, steigende Kosten und sinkende Preise könnten sich EBIT-Margen der Autobauer in den kommenden zwei Jahren halbieren
- Volumenhersteller dürfte die Kaufzurückhaltung ihrer Kundschaft besonders hart treffen
- Zulieferer haben aufgrund von hohen Material- und Energiekosten schon länger mit rückläufiger Profitabilität zu kämpfen
- Mit konsequenten Transformations- und Effizienzmaßnahmen sowie weiteren Strukturverbesserungen machen Autobauer ihre Geschäftsmodelle resilienter
Mit durchschnittlich rund 8,5 Prozent haben die Automobilhersteller zuletzt eine EBIT-Marge auf Rekordniveau verzeichnet. Im Zuge der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Materialknappheit und der darauffolgenden Unterversorgung mit Halbleitern, hatten sie sich auf höherwertige Modelle und margenstarke Kanäle konzentriert und höhere Preise durchgesetzt. Doch nun brechen auch für die Autobauer härtere Zeiten an. Zum einen verbessert sich die Versorgungslage bei Halbleitern, zum anderen verschlechtert sich die gesamtwirtschaftliche Situation deutlich. In der Folge setzt ein Verdrängungswettbewerb ein, und die hohen Preise werden aufgrund von verkaufsfördernden Maßnahmen wieder sinken, während die Kosten inflationsbedingt zunehmen. Vor diesem Hintergrund wird die EBIT-Marge in den kommenden beiden Jahren fallen - und zwar im wahrscheinlichsten Fall, dem sogenannten Hurrikan-Szenario, auf 4 bis 6 Prozent im Durchschnitt der Hersteller (Abbildung). Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Automobilindustrie, die die internationale Unternehmensberatung Bain & Company durchgeführt hat.
"Gemessen am zuletzt erreichten Rekordniveau könnten sich die durchschnittlichen Margen der Autobauer faktisch halbieren", konstatiert Dr. Klaus Stricker, Bain-Partner und Co-Leiter der globalen Praxisgruppe Automotive und Mobilität. "Insbesondere Volumenhersteller werden darunter leiden, dass sich ihre Kundschaft konjunkturbedingt mit Neuwagenkäufen zurückhalten wird."
Hohen Belastungen die Stirn bieten
Bereits seit zwei Jahren haben die Zulieferer mit einer rückläufigen Profitabilität zu kämpfen. In den ersten drei Quartalen 2022 sank ihre durchschnittliche EBIT-Marge auf nur noch rund 4,5 Prozent. Dabei hatte diese bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie mit 5 bis 8 Prozent immer 1 bis 2 Prozentpunkte über der Marge der Hersteller gelegen. Einzige Ausnahme waren die Finanzkrisenjahre 2008 und 2009 gewesen.
"Die Belastungen für die Automobilzulieferer sind enorm", erklärt Dominik Foucar, Bain-Partner und Branchenexperte. "Neben den Folgen der Corona-Pandemie leiden viele unter den gestörten Lieferketten, dem strukturellen Halbleitermangel sowie den insbesondere infolge des Ukraine-Kriegs noch einmal stark gestiegenen Kosten für Material, Energie und Personal." Einige Unternehmen würden zwar bereits an weitreichenden Effizienz- und Transformationsprogrammen arbeiten. "Doch viele haben noch Nachholbedarf", so Foucar.
Ernst der Lage erkennen
Im Zuge der Analyse hat Bain fünf Stellhebel identifiziert, die es den Automobilherstellern möglich machen, ihre Profitabilität bestmöglich zu erhalten. Bei konsequenter Nutzung können diese ihren laufenden Betrieb optimieren, Effizienzreserven mobilisieren und ihre Transformation beschleunigen. Die Stellhebel sind im Einzelnen:
- Erreichtes Preisniveau verteidigen. Höchste Disziplin ist in den kommendenMonaten gefragt, um das Preisniveau der jüngeren Vergangenheit bestmöglich zuhalten. Eine solche Strategie zielt auch darauf ab, die Kundschaft an die höherenPreise für Elektromobilität heranzuführen. Der Branche kommt es nun zugute, dasssie in der Pandemie ihr tradiertes, durch die hohen Produktionskapazitätengetriebenes Geschäftsmodell ("supply push") überwinden konnte. Der aktuelle,nachfrageinduzierte Ansatz ("demand pull") ermöglicht deutlich höhere Margen.Um einen Rückfall in das alte Modell zu verhindern, sind Strukturen undKapazitäten entsprechend anzupassen.
- Strukturen anpassen. Noch lange nicht am Ziel sind viele Autobauer in punctoStrukturen und Fixkosten. Die Break-even-Auslastung, die heute oft bei über 80Prozent liegt, sollte auf 60 Prozent oder darunter reduziert werden. Dies erfordertweitreichendere Maßnahmen beispielsweise in organisatorischer Hinsicht und beider Anpassung der Kapazitäten an die mittel- und langfristige regionaleAbsatzplanung.
- Zusammenarbeit mit Lieferanten vertiefen. Kooperation ist jetzt das A und Oentlang der Wertschöpfungskette. Schaffen Hersteller und Zulieferer Win-win-Situationen, können sie Kosten nachhaltig reduzieren. Dazu gehören beispielsweiseder Verzicht auf nicht-monetarisierbare Angebote und Funktionalitäten, eineReduktion von Spezifikationen und die Verringerung der Prozesskomplexität.
- Risiken minimieren. Noch sind die Autobauer zum Teil stark abhängig voneinzelnen Absatzmärkten wie China, den USA oder der EU oder aber auch vonbestimmten Lieferanten und Systempartnern. Um die Resilienz zu erhöhen, ist ein möglichst ausgewogenes und auf mehrere Standbeine verteiltes Risikoprofilanzustreben.
- Dekarbonisierung im Blick behalten. Auch wenn die Effizienzsteigerung kurzfristigPriorität hat, gilt es sämtliche Maßnahmen auf die laufende Transformationabzustimmen. Dabei können sich zum Teil Synergieeffekte ergeben. So ist es etwa mitdem Ausbau geschlossener Kreisläufe für Batterien möglich, die Umweltbelastung zureduzieren, das Geschäftsmodell zu stabilisieren und langfristig auch dieProfitabilität zu verbessern.
Kräfte bündeln und entschlossen handeln
An einer engen Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern führt kein Weg vorbei, wenn die Effizienz gesteigert und die Transformation erfolgreich fortgesetzt werden soll. "Die Autobauer werden nur gemeinsam mit leistungsfähigen Lieferanten ihre Ziele erreichen", ist Bain-Partner Foucar überzeugt. "Sie müssen mehr denn je darauf achten, dass sie ihre Partner nicht überfordern, sonst werden sie bereits in Kürze systemkritische Zulieferer unterstützen müssen." Jetzt kommt dem Liquiditätsmanagement besondere Bedeutung zu. "Zulieferer benötigen Liquidität, um Geschäftsfelder zu restrukturieren, ESGAnforderungen zu erfüllen, aber auch um ihr Geschäft inklusive Übernahmen strategisch weiterzuentwickeln und ihr Working Capital zu finanzieren", resümiert Klaus Kremers, Bain-Partner und Leiter der europäischen Restrukturierungs- und Transformations-Praxisgruppe. "Zahlreiche Unternehmen sind bereits heute hoch verschuldet und die weitere Kapitalaufnahme ist in Zeiten hoher Zinsen und zurückhaltender Banken sowie Kreditversicherer schwierig." Außerdem sei der Zugang zu alternativen Finanzierungsinstrumenten derzeit stark eingeschränkt.
Aus Sicht von Bain-Partner Stricker ist nun schnelles und entschlossenes Handeln unverzichtbar: "Hersteller, die die Zeichen der Zeit erkennen und jetzt klare Maßnahmen ergreifen, um resilienter zu werden, haben das Heft des Handelns in der Hand. Wer jetzt untätig bleibt und abwartet, wird später unter weitaus größerem Druck stehen und nur noch reagieren können."
Die Infografik "Stürmische Zeiten für die Automobilbranche voraus" finden Sie hier: https://ots.de/X3ecTP
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