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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Klimaprogramm: Koalition muss Konflikt mit Bremsern aus der Wirtschaft ausfechten

Berlin (ots)

Eckpunktepapier der Regierung stellt Weichen auf
Scheitern - DUH fordert Vorrang für Klimaschutz vor 
Partikularinteressen strukturkonservativer Sektoren der Industrie und
präsentiert eigene Vorschläge - Bundesregierung soll 
CO2-Minderungsbeiträge ihres Klimaschutz-Programms offen legen
20. August 2007: Mit einer Fülle von Detailvorschlägen sucht die 
Bundesregierung nach Überzeugung der Deutschen Umwelthilfe e. V. 
(DUH) die ernüchternde Botschaft ihres Eckpunktepapiers zur Energie- 
und Klimapolitik zu verdecken. "An den wirklich entscheidenden 
Punkten zielt das 30-Punkte-Papier mehr auf Konfliktvermeidung als 
auf Klimaschutz", erklärten die beiden Bundesgeschäftsführer der 
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, Rainer Baake und Jürgen 
Resch, in Berlin. Trotz einer überwältigenden Unterstützung aus der 
Bevölkerung für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende 
erneut bekräftigten Klimaziele scheue die große Koalition den 
Konflikt mit der strukturkonservativen Traditionswirtschaft.
Werde das 30-Punkte-Programm bei der bevorstehenden 
Regierungsklausur auf Schloss Meseberg nicht grundlegend 
nachgebessert, stehe fest, dass Deutschland sein Ziel, die 
Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu 
mindern, weit verfehlen werde. "Auch wegen ihrer internen Konflikte, 
droht jetzt die Flucht der Koalition in folgenlose Symbolpolitik", 
mahnten die Geschäftsführer und verwiesen auf eine am Wochenende 
fertig gestellte DUH-Analyse der bisher bekannt gewordenen "Eckpunkte
für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm."
Daraus geht hervor, dass sich die Regierung an zentralen Punkten 
bereits wieder von den sektorspezifischen Zielen entfernt hat, die 
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erstmals Ende April in einer 
Regierungserklärung vor dem Bundestag vorgestellt hatte. Die 
Abweichungen von den Reduktionszielen, die seinerzeit sogar mit 
konkreten Zahlen unterlegt worden waren, beziehen sich insbesondere 
auf die Energiewirtschaft, den Verkehrssektor und den wichtigen 
Bereich der energetischen Gebäudesanierung.
Insbesondere wirft die DUH der Koalition vor, dass sie sich nicht 
der Frage stellt, wie es mit dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten
nach 2012 weitergehen soll. Knapp die Hälfte der 
Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland (45,5 Prozent) werden von der 
Energiewirtschaft, insbesondere durch die Verstromung von Kohle 
verursacht. Damit ist der Emissionshandel das umfassendste und 
wichtigste Klimaschutzinstrument im Bereich der Energiewirtschaft. 
"Die Bundesregierung darf sich nicht um die Frage herumdrücken, 
welchen Beitrag die Energiewirtschaft zur Erreichung des 
40-Prozent-Minderungsziels bis 2020 leisten muss", erklärte Baake. 
Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Kraftwerksbetreiber und 
Investoren hätten ein Anrecht auf Klarheit über diese zentrale Frage.
Der DUH-Geschäftsführer erinnerte daran, dass Bundesumweltminister 
Sigmar Gabriel anlässlich seiner Regierungserklärung im Bundestag 
Ende April den Eindruck vermittelt habe, der Emissionshandel werde ab
2013 auf eine Versteigerung der Zertifikate umgestellt. Bisher werden
die Verschmutzungsrechte größtenteils kostenlos an die Unternehmen 
ausgegeben. Nun sei in dem Regierungsentwurf erneut von "Obergrenzen"
für die einzelnen Anlagenbetreiber die Rede, die es nur bei einer 
Fortsetzung der kostenlosen Zuteilung gebe. Damit lasse die Regierung
erkennen, dass sie zum Schutz der kohlebasierten deutschen 
Kraftwerksbetreiber auch auf EU-Ebene nicht für die künftige 
Versteigerung der Zertifikate kämpfen wolle. Baake: "Wer dreckigen 
Kohlekraftwerken weiter doppelt soviel Zertifikate schenken will, wie
emissionsärmeren Gaskraftwerken, hat sich widerstandslos dem Druck 
der strukturkonservativen Kohlelobby ergeben."
Scharf kritisierte die DUH auch die "widersinnige 
Schwerpunktsetzung bei der Eindämmung der CO2-Belastung des 
Verkehrssektors", der mit rund 20 Prozent nach der Energiewirtschaft 
den zweitgrößten Beitrag zur nationalen Klimalast verursacht. "Die 
Tatsache, dass nach dem Regierungsprogramm, nicht etwa die 
Automobilindustrie, sondern die Landwirte im In- und Ausland mit dem 
Anbau von Energiepflanzen den Löwenanteil zu der im April 
angekündigten CO2-Minderung von 30 Millionen Tonnen leisten soll, ist
ein Stück aus dem Tollhaus", sagte Resch. Dies sei nicht nur unseriös
und im Rahmen einer umwelt- und sozialverträglichen 
Landbewirtschaftung in Deutschland nicht zu erreichen; es zeige 
darüber hinaus, dass die Bundesregierung weit davon entfernt sei, die
Autoindustrie für verpflichtende Mindeststandards beim 
Kraftstoffverbrauch ihrer Fahrzeuge in die Pflicht zu nehmen. 
Außerdem solle weder die Effizienzkennzeichnung der Fahrzeuge 
konsumentenfreundlich verbessert werden, noch würden bereits geltende
Verbrauchsangaben überprüft und kontrolliert. Über ein unmittelbar 
wirksames Tempolimit denke die Regierung nicht einmal nach, obwohl es
dafür unter dem Eindruck der Klimadebatte erstmals in Deutschland 
eine robuste Mehrheit gebe. Die im Prinzip begrüßenswerte Umstellung 
der Kfz-Steuer von Hubraumgröße auf CO2-Bezug werde durch die 
Ankündigung entwertet, jedes Gramm solle gleich hoch besteuert 
werden. "Die Bundesregierung hat ein Herz für die 500 
PS-Automobil-klasse, mit der sie ja auch selbst gern unterwegs ist. 
Gerade die Fahrzeuge mit besonders großem Motor würden bei einer 
solchen Umstellung der Kfz-Steuer sogar weniger zahlen. Sie wird 
somit kaum Einfluss auf die Modellpolitik vor allem der im Inland 
dominierenden deutschen Hersteller nehmen", sagte Resch.
Den Verzicht der Regierung auf eine Beschränkung des so genannten 
Dienstwagenprivilegs nannte Resch "einen erneuten Kotau vor der 
deutschen Automobilwirtschaft". Die Tatsache, dass die mit dem 
Kaufpreis und damit in der Regel auch mit dem Kraftstoffverbrauch 
ansteigende Subventionierung von Dienst- und Firmenwagen nicht 
eingeschränkt werden soll, verlängere eine "weltweit einzigartige 
Subvention, die faktisch hohe Klimabelastung belohnt und niedrige 
Verbrauchswerte bestraft". Die Regelung stehe in eklatantem Gegensatz
zum zwar klimapolitisch vernünftigen, aber die kleinen Leute 
treffenden Abbau von Kilometerpauschale und Eigenheimzulage in den 
vergangenen Jahren und zeitige immer absurdere Folgen. So seien im 
ersten Halbjahr dieses Jahres ausweislich der Statistik des 
Kraftfahrtbundesamts nur mehr 37,6 Prozent der Neufahrzeuge von 
privaten Kunden gekauft worden (im ersten Halbjahr 2006 waren es noch
46 Prozent). Der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Dienstwagen liegt 
infolge der absurden Subventionspolitik der Regierung, wonach ein 
Fahrzeug mit höherer Motorisierung und damit höherem CO2-Ausstoß ohne
jegliche Obergrenze auch eine höhere Förderung erhält, erheblich über
dem der privat gekauften PKW. Der Verzicht auf einen klaren CO2-Bezug
des Dienstwagenprivilegs (nur Spritsparer werden gefördert) werde 
durch die von der Regierung halbherzig angekündigte Deckelung der 
Absetzbarkeit der Betriebskosten von Sprit schluckenden Firmenwagen 
keinesfalls geheilt, weil somit von dieser Maßnahme keine 
Lenkungswirkung auf das Kaufverhalten der Dienst- und 
Firmenwagenhalter oder gar die Modellpolitik der Autohersteller 
ausgeht.
Nach dem Energie- und Verkehrssektor liegen die privaten Haushalte
mit etwa 14 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland auf Platz drei 
der Verursachersektoren. Den größten Beitrag trägt dazu die 
Raumheizung bei. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren 
Milliardenbeträge zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung 
ausgeschüttet - allerdings mit begrenztem Erfolg. Im vergangenen Jahr
erbrachte das Sanierungsprogramm eine CO2-Minderung von 0,9 Mio. 
Tonnen.
Völlig aus dem Fokus der Politik blieb lange Zeit der aus Sicht 
des Klimaschutzes verheerende Einsatz von Strom zur Raumheizung, 
insbesondere durch die Technik der Nachspeicheröfen. Aktuelle Studien
zeigen, dass sie allein fast sieben Prozent, das entspricht rund 36 
Terawattstunden pro Jahr, zum nationalen Stromverbrauch beitragen. 
Anders ausgedrückt: Nachspeicherheizungen verbrauchen die 
Stromproduktion von fünf großen Braunkohlekraftwerken oder die der 
fünf ältesten Atomkraftwerke in Deutschland. Obwohl Stromheizungen 
die vergleichsweise höchsten CO2-Emissionen aufweisen und die mit 
Abstand höchsten Kosten verursachen, wächst ihre Zahl 
überproportional. Weil sie schwerpunktmäßig in alten Mietwohnungen 
eingesetzt werden, zahlt in vielen Fällen der Steuerzahler über das 
Arbeitslosengeld II die exorbitanten (Voll-)Kosten.
Es sei "nicht nachvollziehbar, dass sich die Bundesregierung in 
ihren Eckpunkten nicht dazu durchringen kann, diesen ökologischen und
ökonomischen Unfug für die Zukunft zu verbieten", erklärte Baake. Die
DUH fordert ein sofortiges Verbot des Verkaufs und Einbaus neuer 
Nachtspeicheröfen und ein Förderprogramm zum kompletten und zügigen 
Austausch. Eine Bundesregierung, die "dieses gewaltige 
Einsparpotenzial angesichts des sich beschleunigenden Klimaeffekts 
links liegen lässt, verliert beim Thema Stromsparen jede 
Glaubwürdigkeit". Auch hier liege der Verdacht auf der Hand, dass die
Stromkonzerne Einspruch erhoben haben, weil sie ein lukratives 
Absatzfeld verteidigen und weiter mit Nachtspeicherheizungen die 
"Lasttäler" ihrer Braunkohle- und Atomkraftwerke in den 
verbrauchsarmen Nachtstunden füllen wollen.
Baake erklärte, nicht alle Punkte des Eckpunktepapiers der 
Regierung seien zu kritisieren. Es sei jedoch "erkennbar ein Muster 
dieses Entwurfs, dass die Regierung immer dann gegenüber ihren 
Ankündigungen bei der Regierungserklärung Ende April zurückrudert, wo
es um die Besitzstände der großen Konzerne geht". Diese wollen zum 
Beispiel ihre Investitionen in die schmutzige Braunkohle retten und 
sie kämpfen um Stromfresser wie Nachspeicheröfen, weil diese ihnen 
Umsatz sichern.
Nach wie vor sei das 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2020 zu 
erreichen, heißt es in der Analyse der DUH, die unter www.duh.de 
abgerufen werden kann. Allerdings erfordere dies klare 
Weichenstellungen in allernächster Zukunft. Als einen ersten Schritt 
zur Klarstellung der Situation fordert die DUH die Bundesregierung 
auf, unverzüglich eine nachvollziehbare Abschätzung der 
Minderungsbeiträge ihres Klimaschutz-Programms vorzulegen.
Baake und Resch: "Eine solche realistische Abschätzung ist der 
Lackmustest für die klimapolitische Glaubwürdigkeit der 
Bundesregierung - und der Kanzlerin. Sie wäre auch geeignet, 
Sachwaltern der Traditionswirtschaft in der Regierung wie 
Wirtschaftsminister Michael Glos den Ernst der Lage zu 
verdeutlichen".

Pressekontakt:

Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil.: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 258986-19, E-Mail:
resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Öffentlichkeitsarbeit,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax: 030
258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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