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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Energiekonzept der Bundesregierung muss Systemkonflikt vorbeugen

Berlin (ots)

Längere AKW-Laufzeiten und zusätzliche
Kohlekraftwerke programmieren neuen Fundamentalkonflikt auf dem Weg 
ins regenerative Zeitalter - Studie: Variable Erneuerbare Energien 
und klassische Grundlastkraftwerke passen nicht zusammen in ein 
Stromsystem - Erneuerbare Energien gehören in den Mittelpunkt der 
Zukunftsdebatte - Energiekonzept der Bundesregierung bleibt "Muster 
ohne Wert", wenn die Anpassung des konventionellen Kraftwerksparks an
wachsende Anteile Erneuerbarer Energien nicht geklärt wird
Längere Reaktorlaufzeiten und zusätzliche Kohlekraftwerke sind mit
dem im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vorgeschlagenen 
Eintritt in das "Zeitalter regenerativer Energien" technisch 
unvereinbar. Sie würden schon im kommenden Jahrzehnt den von der 
Koalition ebenfalls versprochenen Vorrang von Strom aus Wind und 
Sonne untergraben. Da die Klimaziele (minus 80 - 95% bis 2050) nur 
mit einem vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energien zu erreichen
sind, käme der Klimaschutz unter die Räder. Das erläuterten heute im 
Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Bundesgeschäftsführer 
der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Rainer Baake, der Geschäftsführer 
des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), Björn Klusmann und der
Leiter Energiewirtschaft und Systemanalyse, Dr. Michael Sterner vom 
Kasseler Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik
(IWES) auf Grundlage einer aktuellen Untersuchung. Die IWES-Studie 
analysiert insbesondere die Rückwirkung zunehmender variabler 
Einspeisung von Regenerativstrom auf den verbleibenden 
Kraftwerkspark.
"Das Energiekonzept, das die Bundesregierung derzeit ausarbeiten 
lässt, bleibt ein Muster ohne Wert, wenn es den Systemkonflikt 
zwischen Erneuerbaren Energien und klassischen Großkraftwerken nicht 
untersucht. Der Weg in das regenerative Zeitalter muss im 
Regierungskonzept konkret und nachvollziehbar beschrieben werden", 
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Andernfalls 
programmiere die Regierung den nächsten energiepolitischen 
Fundamentalkonflikt. Eine Laufzeitverlängerung werde sich nicht als 
Brücke, sondern als Sackgasse für die regenerativen Energien 
erweisen.
Michael Sterner vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und 
Energiesystemtechnik erläuterte, wie der zu erwartende Ausbau der 
erneuerbaren Energien den Bedarf an klassischen Grundlastkraftwerken 
bereits in den nächsten zehn Jahren drastisch senken wird. Im 
Übergang in das regenerative Zeitalter werden die heutigen 
Grundlastkraftwerke deutlich weniger Stunden im Jahr ausgelastet. Es 
werden Kraftwerke benötigt, die vor allem flexibel der variablen 
Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne folgen können.
Schon bei einem Jahresanteil an der Stromversorgung von weniger 
als 50 Prozent - als Grundlage dienten ein vom BEE erstelltes 
Szenario und reale Daten des Wetterjahrs 2007 - decken die 
erneuerbaren Energien bei stündlicher Betrachtung zwischen 15 und 110
Prozent des gesamten Strombedarfs ab. So werde ein zunehmender Anteil
der konventionellen Kraftwerke nur noch als "Backup" zur 
jederzeitigen Absicherung des Strombedarfs benötigt. Ein 
wirtschaftlicher Betrieb von Grundlastkraftwerken ist dadurch 
unsicher und ein flexibler Betrieb noch technisch zu verifizieren. 
Entscheidend für einen flexiblen Betrieb zur Integration erneuerbarer
Energien sind kurze Mindest-Stillstandzeiten, geringe Anfahrdauern 
und kurze Mindest-Betriebszeiten. Gehe die aktuelle Ausbaudynamik der
erneuerbaren Energien weiter, könnten sie schon im Jahr 2020 mehrere 
dutzend Stunden den gesamten Strombedarf Deutschlands allein 
abdecken. Sterner: "Der klassische Grundlastbereich für 
konventionelle Kraftwerke löst sich auf. Was wir in Zukunft 
benötigen, sind flexible Kraftwerke für die Mittel- und Spitzenlast, 
die schnell an- und abgefahren werden können und dabei robust 
bleiben."
Je weiter man auf dem Weg in das regenerative Zeitalter 
vorankomme, umso wichtiger werde darüber hinaus die Bereitstellung 
von Ausgleichsmaßnahmen wie Stromtransport, Speicher und 
Energiemanagement, erläuterte der Wissenschaftler. Besonders 
konventionellen und neuartigen Stromspeichern komme hier große 
Bedeutung zu. Zwar passten in Deutschland Stromnachfrage und 
Einspeisung von beispielsweise Windenergie im Jahresverlauf 
vergleichsweise gut zusammen. Massive Schwankungen und Abweichungen 
zwischen Bedarf und Einspeisung könne es jedoch nach den Ergebnissen 
der Untersuchung von Woche zu Woche geben. Deshalb müsse in der 
Übergangsphase der Ausgleich über schnell reagierende Kraftwerke und 
mehr großräumige auch transnationale Stromverbindungen sichergestellt
werden. Langfristig könne eine Stromversorgung mit Hilfe starker 
Netze, Energiemanagement (Elektro-Kfz, gesteuerte Lasten, 
Kombikraftwerke) und neuartiger Stromspeicher vollständig regenerativ
erfolgen. Zu den neuen Speichermöglichkeiten gehöre die Erzeugung von
Methan aus Windenergie, das dann im vorhandenen Erdgasnetz 
gespeichert und in Gaskraftwerken genutzt werden kann.
BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann betonte, dass sich der Anteil 
der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung sehr viel schneller 
entwickelt habe, als zum Zeitpunkt des Atomausstiegsbeschlusses 
absehbar gewesen sei. 2020 rechne seine Branche mit einem Anteil von 
47 Prozent. "Wer diese Dynamik nicht zur Kenntnis nimmt, ist entweder
nicht auf der Höhe der Zeit oder er entlarvt sich selbst als Bremser 
und Modernisierungsverhinderer", sagte Klusmann mit Blick auf jüngste
Wortmeldungen in der Debatte um den Atomausstieg innerhalb des 
Regierungslagers. Statt einen fruchtlosen Streit über längere 
Laufzeiten von Atomkraftwerken neu aufzulegen, solle die Koalition 
konkrete Maßnahmen zum Ausbau von Stromspeichern und regenerativen 
Kombikraftwerken entwickeln: "Wer den Weg in das regenerative 
Zeitalter gehen will, muss logischerweise die Erneuerbaren Energien 
in den Mittelpunkt seines Energiekonzepts stellen, alles andere sät 
Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser zentralen energiepolitischen 
Aussage im Koalitionsvertrag von Union und FDP." Klusmann sagte, es 
sei nicht ermutigend, dass die Bundesregierung verbal zu den 
Erneuerbaren Energien stehe, aber gleichzeitig über 
energiewirtschaftlich widersinnige Laufzeitverlängerungen für 
Atomkraftwerke debattiere, neue Kohlekraftwerke befürworte und die 
Vergütung für Solaranlagen rabiat kürzen wolle.
Dem in der IWES-Untersuchung auf Basis des BEE-Szenarios 
ermittelten, verbliebenen Bedarf an konventionell erzeugter Grundlast
in Höhe von 27 Gigawatt (GW) steht im Jahr 2020 absehbar mindestens 
folgende Grundlastleistung gegenüber: 15,6 GW aus jüngeren Stein- und
Braunkohlekraftwerken (Inbetriebnahme oder grundlegende Nachrüstung 
seit 1990), 11,4 GW aus neuen, derzeit im Bau befindlichen Stein- und
Braunkohlekraftwerken (in der Summe: 27 GW); darüber hinaus die 
derzeit unklare Leistung aus Atomkraftwerken (aktuell 21,5 GW). Das 
Problem sei also nicht zu wenig Strom in der Grundlast, erklärte 
Rainer Baake, sondern zuviel: "Jede Laufzeitverlängerung von 
Atomkraftwerken und jeder weitere Zubau von Kohlekraftwerken führt 
bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einem Überangebot von 
Strom aus Kraftwerken, die für hohe Volllaststunden ausgelegt sind. 
Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren Energie vorankommt, umso mehr 
wird sich der Systemkonflikt zwischen variabler Einspeisung von Wind-
und Solarstrom und inflexiblen Großkraftwerken zuspitzen." 
Stattdessen müssten für den Übergang flexible, leicht regelbare 
Gaskraftwerke die regenerative Stromversorgung absichern.
Schon im kommenden Jahrzehnt sei damit zu rechnen, dass die 
Erneuerbaren Energien den Strombedarf immer häufiger vollständig 
abdecken. In diesen Situationen müssten alle Kohle und auch alle 
Atomkraftwerke vollständig abgefahren werden. Da jedoch ein 
Wiederanfahren von Atomkraftwerken mehr als zwei Tage dauere, würde 
ein solcher Abschaltvorgang regelmäßig die Versorgungssicherheit 
gefährden. In der Konsequenz würden Windräder in steigender Zahl und 
Häufigkeit aus dem Wind gedreht, der Einspeisevorrang des EEG würde 
zunehmend unterlaufen. Baake: "Die Debatte um Laufzeitverlängerungen 
und neue Kohlekraftwerke ist rückwärtsgewandt. Sie lenkt von den 
wirklichen Herausforderungen ab. Im Kern ist sie ein Konflikt 
zwischen denen, die Strukturen konservieren wollen und denen, die sie
modernisieren und zukunftsfähig machen wollen."
Alle Hintergrundmaterialien der Pressekonferenz finden Sie zum 
Download unter:
 http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2207

Pressekontakt:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe (DUH),
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0151 55016943,
Tel.: 030 2400867-0, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Michael Sterner, Leiter Energiewirtschaft und Systemanalyse,
Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES),
Königstor 59, 34119 Kassel, Tel.: 0561 7294-328 bzw. -319,
E-Mail: msterner@iset.uni-kassel.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
(DUH), Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 5660577,
Tel.: 030 2400867-21, E-Mail: rosenkranz@duh.de

Daniel Kluge, Referent für Medien und Politik, Bundesverband
Erneuerbare Energie (BEE), Tel.: 030 2758170-15, Fax -20,
E-Mail: daniel.kluge@bee-ev.de

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell

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