Gerichtskrimi in Schleswig: Volkswagen AG will rechtskräftig entschiedene Akteneinsicht durch die Deutsche Umwelthilfe mit neuem Eilantrag verhindern
Berlin (ots)
Die Volkswagen AG versucht immer verzweifelter, die Dieselgate-VW-Akte beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) unter Verschluss zu halten. Erst vor wenigen Tagen hatte das Verwaltungsgericht Schleswig dem KBA ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht, sollte es der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Akten nicht vollumfänglich innerhalb von zwei Wochen zur Einsicht bereitstellen. Jetzt hat der VW-Konzern Beschwerde gegen diesen Beschluss eingereicht und eine einstweilige Anordnung beantragt, mit der die Vollziehung des Beschlusses ausgesetzt werden soll.
Ein rechtskräftiges Urteil des VG Schleswig verpflichtet das KBA dazu, der DUH vollständige Einsicht in die Akten des Diesel-Abgasskandals aus dem Herbst 2015 zu gewähren. Diese Einsicht betrifft nicht nur Unterlagen zu Fahrzeugen mit dem Motor EA 189, die zu Beginn des Abgasskandals im September 2015 im Fokus standen. Vielmehr geht es auch um Dokumente zum Motor EA 288. Gegen deren Herausgabe hatte Volkswagen trotz des rechtskräftigen Urteils eine Klage eingereicht. Mittlerweile wehrt sich der Konzern in vier gegen die DUH und das KBA geführten Auseinandersetzungen gegen die Einsicht in die Akten zum Motor EA 288. Die DUH wertet dies als verzweifelten Versuch der Vertuschung unzulässiger Manipulation der Abgasreinigung, die auch am Motor EA 288 stattfand.
"Millionen betrogene VW-Diesel-Käufer warten auf die seit fünf Jahren vom Kraftfahrtbundesamt verweigerte Offenlegung der VW-Dieselgate-Akte, um ihre Rechte gegen den niedersächsischen Staatskonzern durchsetzen zu können. Nachdem rechtskräftige Urteile und sogar Zwangsgeldandrohungen gegen das KBA vorliegen, muss die Verzweiflung bei VW groß sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass man mit vier parallelen rechtlichen Verfahren verhindern will, dass die Dieselgate-Akte veröffentlicht wird", so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Erst vor wenigen Tagen hatte das VG Schleswig die Androhung eines Zwangsgeldes gegen das KBA verfügt, sollten die Unterlagen nicht binnen zwei Wochen übergeben werden. Remo Klinger, der die DUH in diesem Verfahren vertritt: "Volkswagen zieht alle Register - und wird doch scheitern. Denn rechtskräftige Urteile sind zu erfüllen. Das wird man auch in Wolfsburg lernen."
Hintergrund:
Die DUH hatte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals Ende 2015 die Einsicht und Überlassung der VW-Dieselgate-Akten eingefordert. In diesem Schriftwechsel erläutert VW die vorgenommenen Softwaremanipulationen und das KBA macht seine rechtliche Bewertung deutlich. Daraufhin übersandte das Amt im Frühjahr 2016 eine knapp 600-seitige, praktisch komplett geschwärzte Akte und verweigerte so die Einsicht. In der Folge erhob die DUH Klage auf "Entschwärzung" und Offenlegung aller nicht personenbezogenen Angaben.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. April 2018 (6 A 48/16) ist das KBA dazu verurteilt worden, der DUH Einsicht zu gewähren in den gesamten Schriftverkehr aus der Zeit vom 18. September 2015 bis 15. Oktober 2015 betreffend die Rückrufanordnung von VW-Dieselfahrzeugmodellen inklusive des dazu geführten Verwaltungsvorgangs. Daraufhin stellten das beklagte KBA sowie die Volkswagen AG als Beigeladene einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Mit einem am 5. Oktober 2020 zugestellten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig wurden die Anträge abgelehnt, das Urteil von 2018 ist seitdem rechtskräftig. Es besteht nunmehr der Akteneinsichtsanspruch für die DUH.
Beim Termin der Akteneinsicht am 17. November 2020 hatte das KBA der DUH nicht nur unvollständige und dem Anschein nach willkürlich zusammengestellte Akten vorgelegt, bei denen ganz offensichtlich eine zweistellige Anzahl an Vorgängen gegenüber einer früheren Fassung des Dokuments fehlten. Die Behörde hatte sich darüber hinaus geweigert, angeforderte Kopien in dem von der DUH für notwendig angesehenen Umfang zu fertigen. Die DUH hatte daraufhin Ende November einen Antrag auf Zwangsvollstreckung des Urteils gestellt. Als Reaktion hierauf hatte die Volkswagen AG Klage und Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht eingereicht, um die Übergabe der Akten zu verhindern.
Die Dieselgate-Akten können für die seit fünf Jahren vor Zivilgerichten klagenden, von VW betrogenen Kunden von entscheidender Bedeutung sein. Allein mit der Baureihe EA 189 wurden in Deutschland 2,5 Millionen Kunden betrogen. Und das nicht nur beim Kauf der Fahrzeuge, sondern auch später durch neue aufgespielte Abschalteinrichtungen bei Software-Updates, die mit behördlichem Segen für massiv erhöhten Schadstoffausstoß sorgen.
Vor wenigen Tagen hatte das KBA der DUH einen Teil der Akten in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Die Akten zum Motor EA 288 fehlten jedoch immer noch. Nachdem das VG Schleswig am 16. März 2021 gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht hatte, sollten die Akten nicht innerhalb von zwei Wochen vollumfänglich zur Verfügung gestellt werden, beantragte VW nun die Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung seiner Klage.
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