Deutsche Umwelthilfe beantragt, die Bau- und Betriebsgenehmigung von Nord Stream 2 aus Klimaschutzgründen zu widerrufen
Berlin (ots)
- Klimawirkung der fossilen Mega-Pipeline wurde bis heute im Genehmigungsverfahren nicht untersucht
- Weder die Emissionen aus der Verwendung des fossilen Gases noch die Methan-Emissionen aus der Erdgas-Förderung wurden beachtet
- DUH beantragt heute Widerrufung der Genehmigung auf Grundlage des Klimaurteils des Bundesverfassungsgerichts
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat heute beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) beantragt, die Bau- und Betriebsgenehmigung von Nord Stream 2 aus Klimaschutzgründen zu widerrufen. Obwohl die Pipeline das größte fossile Projekt Europas ist, wurden im zurückliegenden Genehmigungsverfahren die Auswirkungen auf die Klimaziele nicht überprüft. Hilfsweise beantragt die DUH, die unterlassene Klimaschutzprüfung nachzuholen und für diesen Zeitraum den Weiterbau der Pipeline auszusetzen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: "Nord Stream 2 ist der Lackmustest dafür, ob die Bundesregierung und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Klimaschutz ernst nehmen. Spätestens seit dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts ist offensichtlich, dass der Weiterbau gestoppt werden muss: Die Pipeline steht für jährlich 100 Millionen Tonnen CO2 und ist damit das größte fossile Projekt in Europa. Die extrem klimaschädlichen Methan-Emissionen aus Förderung, Verarbeitung und Transport des Gases sind dabei noch gar nicht mitgerechnet. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie darf nicht die Augen verschließen vor den klimaschädlichen Auswirkungen der Pipeline und muss deren Genehmigung unverzüglich widerrufen. Dies werden wir nun mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln einfordern."
Seit dem 1. Juni gilt für den Weiterbau von Nord Stream 2 die ursprüngliche Genehmigung aus dem Jahr 2018. Diese Genehmigung greift die DUH mit dem heute gestellten Antrag an. Rechtsgrundlage dafür ist das Verwaltungsverfahrensgesetz. Dieses gebietet die Rücknahme eines Verwaltungsaktes wie zum Beispiel einer Genehmigung, wenn sich nachträglich und auf Grund neuer Tatsachen herausstellt, dass die Genehmigung gar nicht hätte erteilt werden dürfen und das öffentliche Interesse gefährdet ist.
Neue Tatsachen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Klimaschutzurteil vom März 2021 und der Einführung des verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebots geschaffen. Hinzu kommt, dass wesentliche Erkenntnisse zu Klimawirksamkeit und Umfang der Methan-Emissionen der Erdgas-Wirtschaft erst nach Erteilung der Nord Stream 2-Genehmigung von 2018 bekannt wurden. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und ist als Klimagas über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet 87 Mal so klimaschädlich wie CO2. Die Methan-Emissionen aus Förderung, Verarbeitung und Transport des Erdgases für Nord Stream 2 wurden im Genehmigungsverfahren bisher nicht einmal untersucht.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: "Es liegt auf der Hand, dass Nord Stream 2 mit seiner immensen Klimawirkung dem öffentlichen Interesse entgegensteht. Das vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Restbudget für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels würde mit der Pipeline erheblich schneller aufgefressen. Bau und Betrieb von Nord Stream 2 sind damit ein klarer Verstoß gegen das Klimaschutzgebot des Artikels 20a des Grundgesetzes. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung in ihren eigenen Prognosen von einem Rückgang des Gasverbrauchs ausgeht. Nord Stream 2 ist nicht nur eine Gefahr für die Klimaziele, es ist auch energiewirtschaftlich unnötig."
Von einer Reduktion das Gasverbrauchs geht die Bundesregierung gemäß Nationalem Klima- und Energieplan (National Energy and Climate Plan, NECP) aus. Den NECP hat die Bundesregierung im Juni 2020 im Bundeskabinett verabschiedet und offiziell an die EU-Kommission gemeldet. Demnach rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang des Gasverbrauchs von 2020 bis 2030 um 8 Prozent, von 2020 bis 2040 sogar mit einem Rückgang um 42 Prozent.
Hintergrund:
In deutschen Gewässern fehlen weiterhin rund 14 Kilometer von Nord Stream 2. In den vergangenen Tagen hat das russische Verlegeschiff Fortuna einen lediglich zwei Kilometer langen Abschnitt der Pipeline auf dem Meeresgrund in deutschen Gewässern abgelegt. Die Fortuna soll danach in dänische Gewässer zurückkehren und dort das fehlende, längere Teilstück von Nord Stream 2 zusammen mit dem zweiten Verlegeschiff Akademik Tscherski fertig stellen. Die Arbeiten in deutschen Gewässern sollen dann erst zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufgenommen werden.
Die DUH wehrt sich bereits mit zwei laufenden Klagen gegen Weiterbau und Betrieb von Nord Stream 2: Vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald hat die DUH im Juli 2020 Klage gegen das Bergamt Stralsund eingereicht, das für die Genehmigung von Nord Stream 2 in den Küstengewässern zuständig ist. Ziel dieser Klage ist eine Überprüfung dieser Teilgenehmigung aus Klimaschutzgründen. Im April 2021 hat die DUH zudem vor dem Verwaltungsgericht Hamburg Klage gegen das BSH eingereicht, das für die Genehmigung der Pipeline in der ausschließlichen Wirtschaftszone zuständig ist. Die Klage richtet sich gegen eine neue Genehmigung aus dem Januar 2021, die Bauarbeiten im Zeitfenster von Oktober bis Mai erlaubt. Mit dem heutigen Antrag möchte die DUH dagegen erreichen, dass die ursprüngliche Genehmigung aus 2018, die den Bau im Zeitfenster von Juni bis September sowie den Betrieb der Pipeline erlaubt, aus Klimaschutzgründen widerrufen wird.
Links:
- Antrag der DUH: http://l.duh.de/p210602
- Zum Nationalen Energie- und Klimaplan der Bundesregierung (vgl. Tabelle B30, S. 173): https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Energie/necp.html
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz
0160 4334014, zerger@duh.de
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