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Teller statt Tank: Bundesregierung muss Agrokraftstoffe angesichts globaler Lebensmittelkrise umgehend aussetzen

Berlin (ots)

  • Ukraine-Krieg führt zu weltweiter Knappheit bei Getreide, Lebensmittelpreise steigen und in Ländern des Globalen Südens drohen Hungersnöte
  • Verbrennung von Lebensmitteln verschärft die Krise: 12 Prozent des in Deutschland verwendeten Getreides landen als Agrokraftstoff in Autotanks
  • Deutsche Umwelthilfe fordert sofortiges Aussetzen der staatlichen Förderung für Agrokraftstoffe, um globale Versorgungslücken zu verringern und Preisinflation bei Nahrungsmitteln entgegenzuwirken
  • Bis zu 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel lassen sich durch ein Tempolimit, wie es bei der ersten Ölkrise 1973 eingeführt wurde, vermeiden

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die Bundesregierung angesichts der sich abzeichnenden globalen Nahrungsmittelkrise auf, das Verbrennen von Lebensmitteln für sogenannten Agrokraftstoff umgehend zu stoppen. Das ist kurzfristig eine der wirksamsten Stellschrauben, um dem erwarteten Ausfall von Getreide und Ölpflanzen aus der Ukraine und Russland und dem drohenden globalen Preisschock bei Grundnahrungsmitteln entgegenzuwirken. Derzeit werden in Deutschland jährlich über 3,4 Millionen Tonnen Getreide und Ölpflanzen zu Agrokraftstoff verarbeitet und fossilem Diesel und Benzin beigemischt. Getreide aus der Ukraine ist die Grundlage für fast 40 Prozent des in Deutschland eingesetzten Agroethanols, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie des ifeu-Instituts im Auftrag der DUH zeigt.

Die seit vielen Jahren bekannte "Tank oder Teller"-Konkurrenz beim Einsatz von Getreide, Raps und Co. für Agrokraftstoff wird durch den Krieg in der Ukraine nun massiv akut. Die schon vor Kriegsbeginn hohen Weizenpreise sind in den letzten drei Wochen nochmals drastisch gestiegen. Auch in Deutschland sind Mehl und Speiseöle in manchen Supermärkten bereits rationiert. Getreide und andere Nahrungs- und Futtermittelpflanzen im Tank zu verbrennen bedeutet, dass deren Anbauflächen nicht für die Produktion menschlicher Nahrung zur Verfügung stehen. Bei der drohenden Knappheit der Güter verschärft das Nahrungsmittelunsicherheiten und Preisinflation.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert: "Der Krieg in der Ukraine ist eine massive Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel sind auch in Deutschland eine enorme Belastung vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen. In Ländern im Nahen Osten und in Afrika drohen Hungersnöte. In der aktuellen Situation weiter Getreide und andere Lebensmittel in Autotanks zu füllen, ist in keiner Weise vertretbar. Seit Jahren machen wir darauf aufmerksam, dass Agrokraftstoffe Klima und Natur schaden, statt zu helfen. Vor dem Hintergrund der steigenden Nahrungsmittelunsicherheit kann und muss die Bundesregierung jetzt durch ein sofortiges Aussetzen der Subventionen für Agrosprit die Nachfrage nach Getreide und Ölpflanzen reduzieren und die globale Preisspirale entschärfen."

Allein in Deutschland dienen derzeit 782.000 Hektar und damit fast 5 Prozent der Agrarfläche dem Anbau von Raps, Getreide und anderen Pflanzen für Agrokraftstoff. Diese Flächen könnten stattdessen für zusätzliche Nahrungsmittelerzeugung und flächeneffizientere erneuerbare Energien wie Solar- oder Windanlagen bereitgestellt werden. Nur aufgrund staatlicher Anreize wird derzeit auf diesen Flächen Agrokraftstoff produziert.

"Die Bundesregierung kann die Verbrennung von Lebensmitteln im Tank mit einem Federstrich stoppen. Für mehr Unabhängigkeit von fossilem Öl taugen die geringen Beimischungen von Agrosprit ohnehin nicht. Stattdessen befeuern sie in der aktuellen Situation eine katastrophale Lebensmittelkrise zusätzlich zur Energiekrise. Was wir jetzt brauchen sind wirksame Maßnahmen, um den Kraftstoffverbrauch schnell und deutlich zu reduzieren. Während der ersten Ölkrise 1973 erließ die damalige Bundesregierung ein Tempolimit von 100 für Autobahnen und 80 auf Außerortsstraßen. Mit dieser Sofortmaßnahme lassen sich bis zu 3,7 Milliarden Liter Benzin und Dieselkraftstoffe einsparen", ergänzt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Hintergrund:

Die Ukraine und Russland gehören zu den weltweit wichtigsten Exporteuren von Nahrungsmitteln. Beide Länder zusammen stellen fast 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte, 15 Prozent der Maisexporte und über 60 Prozent der Exporte von Sonnenblumenöl. 2020 importierte Deutschland jeweils mehr als 400.000 Tonnen Mais und Raps sowie über 15.000 Tonnen Sonnenblumenöl aus der Ukraine und Russland. Etliche Länder im Nahen Osten und Afrika sind in hohem Ausmaß von den Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland abhängig. Ägypten etwa bezieht fast 70 Prozent seines Weizens von beiden Ländern.

Die Bundesregierung fördert den Einsatz von Agrokraftstoffen derzeit durch die Anrechnung auf die sogenannte Treibhausgasminderungsquote im Verkehr. Durch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes lässt sich dies unkompliziert und schnell ändern. Tschechien hat die staatlichen Quoten für Agrokraftstoffe in der aktuellen Situation bereits ausgesetzt.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Agrokraftstoffe keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Eine Studie des ifeu-Instituts im Auftrag der DUH hat kürzlich gezeigt, dass der immense Flächenverbrauch für die Produktion von Agrokraftstoffen jeglichen Klimavorteil gegenüber fossilem Kraftstoff mehr als zunichtemacht.

Links:

Pressekontakt:

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

DUH-Newsroom:

030 2400867-20, presse@duh.de

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