Keine Uniper-Rettung zum politischen Nulltarif: Umweltverbände fordern klimazielkompatible Neuausrichtung und personelle Konsequenzen
Berlin (ots)
- Nach Absturz durch fossile Geschäftsstrategie: Unipers außerordentliche Hauptversammlung stimmt heute über die geplante Rettung durch den Bund ab
- Bundesregierung ist nach dem Klimaschutz-Urteil des Verfassungsgerichts aus 2021 verpflichtet, das Klimaschutzgebot bei staatlichen Beteiligungen zu achten
- Umweltverbände kritisieren eine fehlende strategische, klimabezogene Neuausrichtung bei den Vorschlägen für die Besetzung des Aufsichtsrates
Bei der heutigen außerordentlichen Hauptversammlung des Gasunternehmens Uniper entscheiden die Aktionäre über die Übernahme durch den Bund. Ein Verbändebündnis aus der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, urgewald und Europe Beyond Coal nimmt dies zum Anlass, mit einer Aktion in Berlin vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) um 10 Uhr eine Forderungsliste für die Rettung Unipers zu übergeben. Letztere ist überhaupt erst notwendig geworden, weil Uniper aufgrund seiner einseitigen Ausrichtung auf fossile Gaslieferungen aus Russland vor der Insolvenz stand. Dennoch hält das Unternehmen an seinem fossilen Geschäftsmodell fest - etwa durch den Ausbau weltweiter LNG-Aktivitäten in Australien und Verhandlungen über Gaslieferungen aus dem Senegal oder Katar.
Die Umweltverbände fordern die Bundesregierung auf, jetzt einzuschreiten und klare Bedingungen an die Beteiligung zu knüpfen, die in erheblichem Maße Steuergeld kostet: Artikel 20a des Grundgesetzes verpflichtet dazu, das Klimaschutzgebot bei der Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen zu respektieren. Das bestätigt auch ein vergangene Woche veröffentlichtes Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace. Die Umweltverbände behalten sich rechtliche Schritte vor, sollte die Bundesregierung diese Verantwortung bei Uniper missachten.
Das Unternehmen brauche eine nachhaltige Transformation - weg von Gas, Kohle und Atom -, um langfristig tragfähig zu werden. Damit müssten auch personelle Konsequenzen und Neubesetzungen im Vorstand und Aufsichtsrat einhergehen. Die gerade bekannt gewordenen Vorschläge zur Neubesetzung des Aufsichtsrates kritisieren die Umweltverbände scharf, da keine Kompetenz zu einer Neuausrichtung von Uniper weg vom fossilen Geschäftsmodell zu erkennen ist.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Das fossile Geschäftsmodell von Uniper ist gescheitert. Wir alle spüren die Folgen der fatalen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas - nur Uniper hat anscheinend nichts dazugelernt und plant weiterhin den Bau langfristiger fossiler Infrastruktur. Allein der Antrag auf eine unbefristete Betriebsgenehmigung des LNG-Terminals Wilhelmshaven widerspricht klar der Generationengerechtigkeit und den klimapolitischen Verpflichtungen Deutschlands. Das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts ist unmissverständlich: Alles staatliche Handeln muss im Einklang mit dem Klimaschutzgesetz stehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, das zukünftige Staatsunternehmen vom Bremsklotz zum Motor der Energiewende zu machen."
Franziska Saalmann, Meeresbiologin bei Greenpeace: "Klimakrise und Biodiversitätskrise müssen zusammengedacht werden! Keine Investitionen in neue Gasinfrastruktur im Ausland - dazu hat sich die Regierung letztes Jahr im Rahmen der Weltklimakonferenz in Glasgow bekannt. Jetzt muss sie die Verantwortung übernehmen und Unipers Unterstützung für zerstörerische Projekte wie die Erschließung der Scarborough-Gasfelder vor Westaustralien beenden. Uniper ermöglicht hier mit dem LNG-Abnahmevertrag die Gefährdung von Wal-Wanderrouten und sensiblen Meeresgebieten mit einer immensen Artenvielfalt."
Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre: "Bis zuletzt wollten die Verantwortlichen bei Uniper die eigene Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland ausbauen, allen wirtschaftlichen und politischen Risiken zum Trotz. Vorstand und Aufsichtsrat haben die deutlichen Warnungen der letzten Jahre fahrlässig ignoriert. Sonst hätten sie zumindest das Zulieferer-Portfolio diverser gestaltet - von ausgebliebenen Investitionen in Erneuerbare Energien ganz zu schweigen. Umso größer ist nun der Preis, den die Gesellschaft und besonders zukünftige Generationen zahlen müssen. Die Bundesregierung muss jetzt sicherstellen, dass der Schaden für die Staatskasse und das Klima, den Uniper mit zu verantworten hat, nicht noch größer wird."
Sonja Meister, Energiekampaignerin bei urgewald: "Statt jetzt über langfristige Lieferverträge die Erschließung neuer Gasfelder im Senegal zu ermöglichen oder Gas aus Ländern wie Katar zu importieren, muss Uniper endlich die Zeichen der Zeit erkennen und aus der Nutzung fossiler Energie aussteigen. Die Verstaatlichung Unipers muss das Startzeichen für die Bundesregierung sein, die Firmenstrategie so schnell wie möglich in Einklang mit dem 1,5-Grad-Limit zu bringen. Wenn die Bundesregierung zulässt, dass Uniper weiter einseitig auf langfristig teures Gas setzt, werden alle Rettungsversuche ein finanzielles Fass ohne Boden bleiben. Die Vorschläge für den Aufsichtsrat zeigen, dass Uniper auf ein fossiles "Weiter So" setzt und keine umfassende Neuausrichtung auf Erneuerbare plant."
Fabian Hübner, Campaigner bei Europe Beyond Coal: "Uniper muss Datteln 4 nach der Übernahme der Bundesregierung bis spätestens 2030 stilllegen, statt die deutschen Klimaziele zu sabotieren. Uniper hat das Kraftwerk trotz der Entscheidung zum deutschen Kohleausstieg ans Netz gebracht und wehrt sich gegen das Gerichtsurteil zum illegalen Bebauungsplan von Datteln. Die Bundesregierung sollte die gerichtliche Odyssee beenden. Falls das Revisionsverbot gegen den illegalen Bebauungsplan letztinstanzlich bestätigt wird, muss Uniper das Kraftwerk wieder abreißen und das Gelände rekultivieren."
Hintergrund:
Seit Gründung von Uniper durch die Abspaltung von E.ON hat das Unternehmen keine erkennbaren Schritte unternommen, um einen tiefgreifenden Wandel des Geschäftsmodells weg von fossilen Energien umzusetzen. Stattdessen hat Uniper die enorme Abhängigkeit von russischem Gas vorangetrieben und selbst nach Beginn des russischen Angriffskriegs noch auf Gazprom als verlässlichen Partner für Gaslieferungen beharrt. Am 31. Oktober 2022 hatten sich die Umweltverbände bereits mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Linder gerichtet. Dieser Brief ist bislang unbeantwortet geblieben.
Links:
- Offener Brief zur Rettung Unipers vom 31.10.2022: https://l.duh.de/p221219b
- Rechtsgutachten von Greenpeace "Verstaatlichung bedeutet Verantwortung": https://l.duh.de/p221219b
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH
0160 903 54 509, mueller-kraenner@duh.de
Tilman Massa, Referent, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
0221 5995647, tilman.massa@kritischeaktionaere.de
Franziska Saalmann, Meeresbiologin, Greenpeace e.V.
0170 7237313, franziska.saalmann@greenpeace.org
Sonja Meister, Energiekampaignerin, urgewald
0176 6460 8515, sonja.meister@urgewald.org
Fabian Hübner, Campaigner Energie & Kohle, Europe Beyond Coal
0178 6337720, fabian@beyond-coal.eu
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