Der Tagesspiegel: Warum ist Polen so kompromisslos, Herr Cimoszewicz?
Das Interview
Berlin (ots)
Berlin. Polen gibt seine harte Haltung im Streit um die EU- Verfassung nun doch auf, stellt aber für einen Kompromiss Bedingungen. "Nizza oder Tod" sei" nicht die Position der polnischen Regierung", sagte der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel am Sonntag". Allerdings könne man die Vereinbarungen von Nizza nicht nur an einer Stelle ändern, wie dies der auch von Deutschland favorisierte Verfassungsentwurf des EU-Konvents vorsehe. "Wenn wir über Kompromisse reden wollen, müssen wir über den ganzen Vertrag reden." Der Vorschlag des EU-Konvents verändere die Gewichtung in der Kommission und zwischen den nationalen Regierungen, beim Parlament aber soll-ten die alten Regelungen weiter gelten, monierte der Warschauer Außenminister. "Wenn wir über Demokratie reden, muss das Parlament stärker werden." Der Konvent wolle den großen Staaten überproportional großes Gewicht verschaffen.
Mit Blick auf die massive Kritik an Polen in den jüngsten Berichten der EU über die Beitrittskandidaten kündigte der Außenminister ein hartes Vorgehen dort an, wo Anforderungen bis zum Mai nicht eingehalten würden. "Möglicherweise werden wir hunderte Schlachthöfe schließen müssen. Aber wir werden das tun." Polen wisse, dass sonst vielleicht die EU-Grenzen für seine Produkte geschlossen würden. Es handle sich dabei allerdings meist um kleinere Betriebe. Die großen Schlachthöfe erfüllten die Anforderungen.
Aus dem Irak möchte Polen seine Truppen "so früh wie möglich abziehen" und zivile Helfer und Experten einsetzen. Da sich die Sicherheitslage verschlechtert habe, werde dies aber schwieriger. Gleichzeitig betonte der Außenminister mit Blick auf den ersten gefallenen Polen in der vergangenen Woche: "Das Risiko war uns allen bewusst." Polen wolle die Verantwortung "so schnell wie möglich an Iraker übergeben, an politische Institutionen, an irakische Polizei, an paramilitärische Truppen, die zu einer irakischen Armee werden können."
Scharf kritisierte Cimoszewicz die Vorstöße der Präsidentin des Bundes der Ver-triebenen, Erika Steinbach, für ein Zentrum gegen Vertreibungen. "Es wäre ein schwerer Schlag für das Klima unserer Beziehungen", wenn deren Projekt verwirklicht würde. Erika Steinbachs Sicht der Vertreibung erwecke "den Eindruck, die Ge- schichte solle uns trennen." Die Erklärung der Präsidenten Rau und Kwasniewski sei "politisch eminent wichtig", aber sie "schafft nicht sofort eine neue Lage". Unter Hinweis auf das Zentrum, auf Entschädigungsklagen Deutscher in Polen und Reparationsforderungen polnischer Parlamentarier an Deutschland sagte Cimoszewicz: "Ich appelliere an alle Verantwortungsträger in beiden Ländern, zu verhindern, dass diese Beispiele Schule machen."
Cimoszewicz kündigte des weiteren an, dass Polen im kommenden Jahr mit dem Bau seiner neuen Botschaft Unter den Linden in Berlin beginnen werde. Für den Anfang würden im Haushalt 2004 würden umgerechnet 3,3 Millionen Euro einge-plant. Die ersten Pläne seien zu ehrgeizig und zu teuer gewesen.
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