Der Tagesspiegel: Bundesregierung will die Dienstleistungsfreiheit in Europa stärker einschränken als bisher bekannt
Berlin (ots)
Bundesregierung und SPD-Fraktion wollen die Dienstleistungsfreiheit in Europa weitaus stärker einschränken als bislang bekannt. Das machen erste Stellungnahmen der Bundesministerien klar, die zurzeit regierungsintern abgestimmt werden. Bereits am vergangenen Dienstag hatte Kanzler Gerhard Schröder (SPD) EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Änderungswünsche zur Dienstleistungsrichtlinie vorgetragen. Diese bezogen sich vor allem auf das Gesundheitswesen und die Baubranche. Neuere Ideen gehen weit darüber hinaus. So fordert das Bundeswirtschaftsministerium in einer Stellungnahme, die dem Tagesspiegel am Sonntag vorliegt, dass neben dem Gesundheits- und Sozialbereich sämtliche Leistungen der Daseinsvorsorge wie Infrastruktur und Bildung von der Richtlinie unberührt bleiben. Dies gelte auch für sicherheitsrelevante Bereiche, sämtliche "bioethisch sensiblen Forschungsbereiche" und die Medienbranche, heißt es in dem Papier. Die Regierung will damit verhindern, dass europäische Unternehmen in Deutschland Leistungen anbieten können, die sich an den gesetzlichen Bestimmungen ihrer Herkunftsländer orientieren. Gerade im gentechnischen Forschungsbereich könnte das zu politisch brisanten Enwicklungen führen. Ausländische Forschungseinrichtungen etwa hätten ab 2007 - dem geplanten Inkrafttreten der EU-Richtlinie - die Möglichkeit, in Deutschland verbotene Stammzellenforschung zu betreiben, die in ihrem Heimatland erlaubt ist. Ähnliche Gefahr wittert das Wirtschaftsministerium bei der grenzüberschreitenden Rundfunkverbreitung. Hielte die EU-Kommission an ihrer Richtlinie fest, könnten über Kabelnetze in Deutschland Medieninhalte verbreitet werden, deren Ausstrahlung vom deutschen Gesetzgeber verboten ist. Der stellvertretende Fraktionschef der SPD, Ludwig Stiegler, sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, man werde sich mit kleineren Änderungen des Kommissionsentwurfs nicht zufrieden geben. Um drohendes Lohn- und Qualitätsdumping zu verhindern, "muss die Richtlinie ganz dramatisch verändert werden", sagte Stiegler. Auch Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) fordert von der EU- Kommission Klarstellungen. Künast fürchtet zum Beispiel, dass durch die Hintertür der Einsatz von in Deutschland verboteten Pflanzenschutzmitteln wieder ermöglicht werden könnte. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) wiederum setzt sich für Ausnahmen im Bereich der Gesundheits- und Sozialdienstleistungen ein. Im Gespräch sind Sonderregelungen für gemeinwohlorientierte Träger wie Wohlfahrtsverbände und kommunale Träger.
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