Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Berufungs-Urteil gegen Ratko Mladic (8.6.): Opfer hoffen auf Anerkennung weiterer Verbrechen
Berufungs-Urteil gegen Ratko Mladic (8.6.):
- Überlebende Opfer hoffen auf Anerkennung weiterer Vergehen
- Anklage sieht schwere Verbrechen auch in Prijedor und anderen Orten
- Noch immer wird nach den Überresten von mindestens 500 Opfern gesucht
Überlebende Opfer des Bosnienkrieges hoffen auf die Anerkennung weiterer Verbrechen, wenn am 8. Juni 2021 in Den Haag im Berufungsverfahren gegen den bosnisch-serbischen General Ratko Mladic das Urteil gefällt wird. Die Anklage wirft Mladic vor, auch in Gemeinden im Nordwesten und Osten Bosniens systematisch Nichtserben vertrieben und getötet zu haben, und hatte genauso wie die Verteidigung Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. „Das Gericht hätte von Anfang an auch Mladics Verbrechen in den Städten Foča, Kotor Varoš, Prijedor, Sanski Most und Vlasenica sowie einigen weiteren Gemeinden in die Anklage aufnehmen müssen, denn auch dort hat der serbische General Völkermordverbrechen begangen“, erklärte Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der Gesellschaft für bedrohte Völker am Montag in Göttingen. „Vor allem die ehemaligen Insassen der Konzentrationslager in Prijedor erwarten jetzt eine Erweiterung des Urteils.“
Aus Prijedor vertrieben serbische Truppen 1992 über 52 Prozent der Bevölkerung, nämlich alle Nichtserben. Mehr als 3.800 Menschen, zumeist bosnische Muslime, wurden getötet. Zehntausende wurden in Konzentrationslagern gefangen gehalten, gefoltert, vergewaltigt. „Das Tribunal hat die einmalige Chance, in seinem Urteil am 8. Juni 2021 die Gerechtigkeit endlich siegen zu lassen“, sagte auch die ehemalige Richterin und Überlebende des Konzentrationslagers Omarska bei Prijedor, Nusreta Sivac. „Ratko Mladic war Oberbefehlshaber der Armee, die auch in Prijedor ein ganzes Volk systematisch vernichten wollte. Für die Generationen, die nach uns kommen, muss das Verbrechen bei seinem Namen genannt werden. Nur dann hat die Region eine Chance auf ein friedliches Zusammenleben und effektive Vergangenheitsbewältigung.“
Der ehemalige General wurde im November 2017 wegen des Völkermords in Srebrenica, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verstößen gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges erstinstanzlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Anklage beantragte, Mladic in zweiter Instanz zusätzlich des Völkermords in weiteren Gemeinden für schuldig zu befinden. Die Verteidigung verlangte die Aufhebung des Urteils und Freispruch oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Noch immer wird nach den Überresten von mindestens 500 Opfern gesucht. Bis jetzt wurden Hunderte Einzel- und Massengräber in der Umgebung von Prijedor gefunden. Das größte Massengrab in ganz Bosnien (und ganz Europa nach dem Zweiten Weltkrieg) mit den sterblichen Überresten von über 400 Opfern wurde erst 2013 entdeckt – 21 Jahre nach den Verbrechen.
Sie erreichen Jasna Causevic unter j.causevic@gfbv.de oder 0551/49906-16.
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