Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Internationaler Tag der Verschwundenen (30.8.): Schreckliche Praxis hat weiter Konjunktur
Internationaler Tag der Verschwundenen (30.8.):
- Weltweit zehntausende Opfer dieser schrecklichen Praxis
- Kriminelle Gruppen und autoritäre Regime verantwortlich
- Opfer sind oft Menschen, die sich für ihre Rechte einsetzen
Zum Internationalen Tag der Verschwundenen, am 30. August, erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die weltweit zehntausenden Opfer dieser schrecklichen Praxis. Neben Kriminellen lassen vor allem autoritäre Regime Menschen verschwinden, die sich für die Rechte der ethnischen, religiösen oder sprachlichen Gruppe einsetzen, der sie selbst angehören.
Im Schneidersitz niedergelassen demonstrieren die Samstagsmütter seit 1995 in verschiedenen Städten der Türkei. Sie fordern Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder, die der türkische Staat zwischen 1984 und 1999 verschwinden ließ. Heute gelten 17.000 Angehörige der kurdischen Volksgruppe in der Türkei als vermisst. „Im Zuge der Annäherung an die EU wurde diese dunkle Seite der Türkei kurz öffentlich thematisiert“, erinnert Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Mit der Machtfestigung Erdogans nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 unterdrückt das Regime jede Forderung nach Aufklärung.“ Die türkische Armee und ihre islamistischen Milizen praktizieren das Verschwindenlassen auch in Syrien. In von der Türkei besetzten Gebieten werden etwa 7.000 Menschen vermisst, die meisten aus kurdischen Familien. „Doch in den türkisch besetzten Gebieten herrscht totales Unrecht. Aus Angst, selbst getötet oder verschleppt zu werden, fragen die Familien nicht mehr nach ihren verschwundenen Kindern“, so Sido.
Auch in Mexiko hat das Verschwindenlassen riesige Ausmaße angenommen. Etwa 100.000 Fälle sind offiziell registriert – im Jahr 2011 waren es noch 5.000. Die Dunkelziffer ist vermutlich groß. „Für diesen horrenden Anstieg sind organisierte Verbrecherbanden verantwortlich, die oft mit korrupten Staatsbediensteten kooperieren oder von ihnen geduldet werden. Zu deren Opfern gehören immer mehr Minderjährige. Einige sind erst 12 Jahre alt“, erklärt Regina Sonk, GfbV-Referentin für indigene Völker. „In ländlichen Gebieten geraten auch immer wieder Indigene ins Visier der Kartelle. So wurde die indigene Menschenrechtsaktivistin Obtilia Eugenio Manuel 2019 verschleppt. Anders als die meisten Opfer kam sie nach einigen Tagen wieder frei.“ Nur zwei bis sechs Prozent der Fälle von Verschwindenlassen führten zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Auch bei der internen Aufarbeitung von verwickelten Behörden und Militärs versagten staatliche Behörden regelmäßig.
In verschiedenen Ländern des afrikanischen Kontinents verschwinden regelmäßig Menschen. „Dafür sind nicht nur bewaffnete Gruppen wie Boko Haram und Al-Shabaab verantwortlich, die mehrere Staaten terrorisieren. Auch die Sicherheitskräfte einiger Regierungen lassen Menschen verschwinden. Zivilpersonen sind also von verschiedenen Seiten gefährdet und sorgen sich um ihre verschwundenen Lieben“, berichtet Nadja Grossenbacher, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Die Gefahr, dass Opfer misshandelt, gefoltert, vergewaltigt oder ermordet werden, ist bei allen Tätergruppen groß.“ In Kenia wird beispielsweise neben der Anti-Terror-Einheit ATPU auch die militarisierte staatliche Naturschutzbehörde Kenya Wildlife Service beschuldigt, Menschen verschwinden zu lassen. „In besonders konfliktgebeutelten Ländern wie Sudan oder Äthiopien wird das Problem massiv sein“, so Grossenbacher.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
Sie erreichen Regina Sonk unter r.sonk@gfbv.de oder 0551/49906-31.
Sie erreichen Nadja Grossenbacher unter n.grossenbacher@gfbv.de oder 0551/49906-27.
Gesellschaft für bedrohte Völker Postfach 2024 D-37010 Göttingen Tel.: +49 551 499 06-21 Fax: +49 551 580 28 E-Mail: info@gfbv.de www.gfbv.de Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status bei den UN und mitwirkendem Status beim Europarat