Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Frieden zwischen Türkei und PKK: Erdoğan muss Angriffe auf Nordsyrien einstellen und politische Gefangene freilassen
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert den türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdoğan auf, ernsthafte Friedensverhandlungen mit der PKK aufzunehmen. „Um zu zeigen, dass die Türkei ernsthaft an Frieden mit den Kurden interessiert ist, muss Erdoğan die Angriffe auf kurdische Gebiete in Nordsyrien einstellen und den seit mehr als einem Vierteljahrhundert inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan und weitere führende kurdische Politiker wie Selahattin Demirtaş freilassen. Sie können den beginnenden Friedensprozess nur in Freiheit erfolgreich begleiten und positiv beeinflussen“, erklärte der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido heute in Göttingen. Demirtaş ist seit 2016 in der Türkei inhaftiert, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Freilassung anordnete.
„Für Millionen Kurden und Angehörige anderer Minderheiten wie Assyrer/Aramäer/Chaldäer, Armenier, Aleviten, Yeziden und Christen, aber auch Türken, die durch die Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen werden, besteht die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt. Wir fordern den türkischen Staat auf, diese historische Chance zu nutzen“, sagt Sido.
„Auch die NATO-Regierungen, insbesondere die deutsche Bundesregierung, sind gefordert, eine friedliche Lösung zu unterstützen. Aufgrund der politischen und diplomatischen Unterstützung sowie der Waffenlieferungen an die Türkei ist Deutschland mitverantwortlich für alle Verbrechen des türkischen Staates an Kurden und anderen Minderheiten. Die Bundesregierung sollte daher auf die Türkei einwirken, die anhaltenden Angriffe auf Kurden einzustellen, um bessere Bedingungen für ein Ende der Gewalt zu schaffen“, fordert Sido.
Die Türkei hat in den vergangenen Tagen ihre Angriffe auf kurdische Gebiete in Nordsyrien fortgesetzt. Die Brücke von Qara Kozak über den Euphrat wurde nach Angaben der in Großbritannien ansässigen GfbV-Partnerorganisation Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) am Samstag mit mindestens 90 Granaten beschossen. Am Tag vor Öcalans Aufruf hatten türkische Kampfdrohnen Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bei asch-Schaddadi im Nordosten Syriens angegriffen und 12 Menschen getötet. Die SDF kämpfen dort gegen den „Islamischen Staat“ (IS).
„Dieses Verhalten des türkischen Staates lässt befürchten, dass er den beginnenden Friedensprozess wie in der Vergangenheit torpedieren wird. Die anhaltenden Angriffe der Türkei auf Kurdinnen und Kurden könnten auch im PKK-Lager jene Kräfte stärken, die von Öcalans Aufruf nicht begeistert sind. Die größte Gefahr für das Scheitern des Friedens ist daher Erdoğans Machthunger“, äußert der Menschenrechtler seine Befürchtung. „Sollte Trump die US-Truppen aus Syrien abziehen, die zur Unterstützung der Kurden im Kampf gegen den IS in der Region sind, würde Erdoğan wieder in Syrien einmarschieren, die Region erneut mit Krieg und Verwüstung überziehen und alle Hoffnungen auf ein Ende der Gewalt zunichtemachen.“
„Ein Ende der Kriminalisierung der Kurden durch die deutsche Bundesregierung könnte für den Friedensprozess sehr hilfreich sein. Wenn die deutsche Bundesregierung den beginnenden Prozess wirklich unterstützen will, sollte sie zumindest prüfen, welche Betätigungsverbote für die PKK ausgesetzt werden müssen, um den Auflösungsprozess der von der Türkei und ihren Unterstützern als Terrororganisation eingestuften PKK zu fördern“, erklärt Sido.
Am Donnerstag (27. Februar) hatte Abdullah Öcalan aus seiner Haft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer die von ihm 1978 gegründete kurdische PKK auf, die Waffen niederzulegen und sich als Organisation aufzulösen, um einen Demokratisierungsprozess in der Türkei einzuleiten. Dieser Aufruf wurde von vielen Kurden, aber auch von der internationalen Gemeinschaft begrüßt. Die PKK-Führung stimmte einem einseitigen Waffenstillstand am Samstag (1. März) zu.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
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