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Börsen-Zeitung: Sarkozys Versuchung, Kommentar von Gerhard Bläske zur innenpolitischen Situation in Frankreich

Frankfurt (ots)

Seit mehr als einer Woche legen Streiks einen
Großteil des öffentlichen Lebens in Frankreich lahm. Bei vielen 
Franzosen liegen die Nerven blank. Nun haben endlich Verhandlungen 
zwischen Regierung, Staatsbetrieben und Gewerkschaften begonnen. 
Besonnene Arbeitnehmervertreter wollen den Streik beenden. Doch eine 
kleine, radikalisierte Minderheit macht weiter.
Die Mehrheit der Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, dass die 
Beschäftigten der Staatsunternehmen Rentenprivilegien verteidigen 
wollen, die es ihnen erlauben sollen, weiter mit 50 oder 55 zu sehr 
vorteilhaften Bedingungen in Ruhestand zu gehen. Dass Präsident 
Nicolas Sarkozy das ändern will, findet nach wie vor breite 
Unterstützung im Volk.
Der Präsident hat erkannt, dass Frankreich gegenüber anderen 
Ländern erheblichen Reformrückstand hat. Die Reform der Rentensysteme
in den Staatsunternehmen kann nur der Anfang sein, ist aber 
unerlässliche Voraussetzung für den angekündigten tiefgreifenden 
Umbau des französischen Sozialstaates, der in der jetzigen Form nicht
mehr finanzierbar ist.
Noch hat Sarkozy die Unterstützung der Bevölkerung. Doch wenn die 
Streiks, die zunehmend die Wirtschaft belasten und nach Angaben der 
Regierung täglich 300 Mill. bis 400 Mill. Euro kosten, nicht bald 
beendet werden, könnte die Stimmung umschlagen. Sarkozy ist 
angetreten mit dem Versprechen, die Kaufkraft der Franzosen zu 
stärken. Die Wirkung seines umfangreichen Steuer- und 
Abgabensenkungsprogramms droht aber wegen der steigenden Energie- und
Lebensmittelpreise zu verpuffen.
Sarkozy spürt die Gefahr und will in den nächsten Tagen Maßnahmen 
zur Stärkung der Kaufkraft verkünden. Doch sein Handlungsspielraum 
ist wegen der hohen Verschuldung und der Kritik der EU an seiner 
Haushaltspolitik gering. Da er die Konjunktur nicht durch eine 
strenge Sparpolitik abwürgen will, könnte er dennoch versucht sein, 
den bequemen Weg zu wählen und die Ausgaben zu erhöhen. Das wäre 
fatal. Er würde damit nicht nur die Solidarität mit den EU-Partnern 
aufkündigen, sondern Frankreich in eine gefährliche Spirale führen. 
Letztlich könnte sein gesamtes Reformprogramm daran zerbrechen, denn 
die nötigen Einschnitte werden ohne Opfer nicht möglich sein. Sarkozy
muss nun zeigen, dass er die Statur eines echten Reformers hat.
(Börsen-Zeitung, 23.11.2007)

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