Börsen-Zeitung: Barclays bettelt besser, Kommentar von Norbert Hellmann zu den Erwägungen der britischen Großbank, ihr Kapital zu erhöhen
Frankfurt (ots)
Kapital ist Trumpf. Zahlreiche von der Kreditmarktkrise in Mitleidenschaft gezogene Großbanken sehen eine Stärkung der Kapitaldecke als einzige Möglichkeit an, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Allerdings haben einige britische Banken mit ihren anberaumten Kapitalerhöhungen regelrechte Minenfelder betreten.
Royal Bank of Scotland (RBS), HBOS und Bradford & Bingley spüren, wie heikel die Wahl eines geeigneten Bezugspreises für neue Aktien ist, wenn die implizierte Untergrenze für den Aktienkurs von Marktteilnehmern "getestet" wird. Überhaupt scheinen sich diese Adressen mit einem frühen Bekenntnis zur löchrigen Kapitaldecke alles andere als einen "First Mover Advantage" gesichert zu haben.
Für die eher konservative und bisweilen auch als etwas behäbig geltende Barclays mag es sich auszahlen, die Stärkung der Kernkapitalquote mehr als Option denn als Notwendigkeit darzustellen. Knapp zwei Monate nachdem sich RBS und HBOS "geoutet" haben, kokettiert die von den Eigenmittelrelationen nicht wesentlich besser dastehende Barclays nur mit der Möglichkeit einer Kapitalaufnahme und stößt auf spontane Begeisterung bei den Investoren. Barclays scheint nicht nur mit dem Vermeiden jeglicher Eile, die Katastrophenstimmung fördert, atmosphärisch ein gutes Händchen zu beweisen, sondern auch den Mittelbeschaffungsvorgang an sich eleganter gestalten zu wollen.
Der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten zu hohen Abschlägen haftet in der Londoner City ein schlechter Beigeschmack von Scheitern und Sanierung an. Sie ist, wenn man so will, wie der Bittgang eines tief Gefallenen. Demgegenüber wirkt Barclays' angedachte Aktienplatzierung eher wie ein "Fundraising" bei interessierten Neuinvestoren, von dem Altaktionäre freundlicherweise nicht ausgeschlossen werden.
In der City vermutet man triftigerweise, dass Barclays die bereits an ihr beteiligten China Development Bank und Temasek für das Vorhaben zu mobilisieren gedenkt. Dabei würde dieser staatsfondsähnlichen Klientel gleichzeitig die Rolle eines Underwriters zugewiesen, der die von Altaktionären nicht gezeichneten Titel aufnimmt. Dies mag nicht der todsicherste Weg zu frischen Mitteln sein, spart aber die exorbitanten Kosten einer Platzierungsgarantie durch Investmentbanken und eine Menge Nerven.
(Börsen-Zeitung, 17.6.2008)
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