Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Der Krise nächstes Kapitel, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Nach all den Schrecken hätte es ein wenigstens
halbwegs entspanntes Wochenende werden sollen. Doch kurz bevor sich 
die entnervten Marktteilnehmer zurückziehen konnten, wurden die 
Hoffnungen, dass sich die Lage mit dem US-Rettungsplan für die 
Finanzindustrie zumindest vorübergehend beruhigen würde, brutal 
zerschlagen und in der Finanzkrise das nächste Kapitel aufgeschlagen.
Dass sich nach der grundsätzlichen Einigung über den Rettungsplan 
durch das politische Tauziehen um die Einzelheiten wieder 
Verunsicherung breit machte, war anscheinend noch nicht schlimm 
genug. Es musste auch noch mit Washington Mutual die nächste große 
Pleite folgen. Aber auch das reichte nicht. Mit Fortis geriet nun 
erstmals auch eine kontinentaleuropäische Finanzinstitution von Rang 
in Bedrängnis, ein Vorgang, der bis in den Fernen Osten Wellen 
schlug, weil der große chinesische Versicherer Ping An eine 
erhebliche Beteiligung an dem belgisch-niederländischen Konzern hält.
Leider haben diejenigen Recht behalten, die in dem Rettungsplan 
nur eine vorübergehende Atempause für die Finanzbranche und damit 
auch für die Aktienmärkte gesehen haben. Tatsächlich wird die Krise 
die Marktakteure noch eine Weile in Atem halten, rückt die Aussicht 
auf eine Erholung in weitere Ferne. Zumal auch die konjunkturellen 
Nachrichten alles andere als ermutigend sind. Die Indikatoren trüben 
sich zusehends ein. Dabei zeigen gerade die Zahlen vom US-Häusermarkt
eine beunruhigende Fortsetzung des Abschwungs an. Der Absatz geht 
immer noch zurück. Die Preise für wiederverkaufte Eigenheime 
erreichten zuletzt einen im Vergleich zum Vorjahr um fast 10% 
niedrigeren Verkaufspreis. Interessant wird nun sein, wie sich die 
Entwicklung am kommenden Freitag im US-Arbeitsmarktbericht für den 
Monat September niederschlagen wird.
Die Finanzkrise jedenfalls wird die Entwicklung in den USA nicht 
besser machen. JPMorgan spricht von einem zusätzlichen negativen 
Schock für die US-Wirtschaft und hat die Prognosen für das BIP 
gekürzt. Für das dritte Quartal erwartet die Bank nun ein 
Nullwachstum statt bislang 0,5%. Außerdem rechnet es für das vierte 
Quartal 2008 und die ersten drei Monate des nächsten Turnus nun 
jeweils mit einer Schrumpfung um 0,5%. Für das laufende und das 
nächste Jahr verbleibt laut der neuen Prognose von JPMorgan jeweils 
nur noch ein Wachstum von 1,6% und 0,7%.
Nicht nur Washington Mutual und Fortis zeigen, wie schlimm die 
Lage ist. Auch die Anstrengungen, um nicht zu sagen: 
Verzweiflungstaten, mit denen sich Regierungen, Zentralbanken und 
Aufsichtsbehörden gegen das Unheil stemmen, sprechen eine klare 
Sprache. Zu allem Unglück kommt noch hinzu, dass die Machtlosigkeit 
gegen die Krise deutlich zu Tage tritt. Das gilt zum Beispiel für die
Leerverkäufe. Mit den vorübergehenden Verboten bzw. Einschränkungen 
von Leerverkäufen sollte eigentlich der Druck von den Finanzaktien 
genommen werden, um eine Verschlimmerung der Krise zu verhindern. Die
Restriktionen können nun als gescheitert betrachtet werden und werden
sich möglicherweise als Schuss nach hinten erweisen.
Auch in Belgien und den Niederlanden wurden Restriktionen 
verhängt. Ungedeckte Leerverkäufe in Finanzwerten sind untersagt. 
Außerdem müssen Netto-Short-Positionen gemeldet werden, die die 
Schwelle von 0,25% des Grundkapitals einer Gesellschaft 
überschreiten. Dennoch ist die Aktie der Fortis vom Markt mühelos 
nach unten geprügelt worden. Damit haben die Kritiker der 
Leerverkaufs-Einschränkungen Recht behalten. Leerverkäufe sind eben 
nicht die Verursacher der Krise, und ihr Verbot kann das Unabwendbare
allenfalls verschieben, aber eben nicht verhindern.
Aber noch aus einem ganz anderen Grund sind die Verbote von 
Leerverkäufen, die in den Industrienationen verhängt worden sind, ein
Schwächezeichen. Wie ernst muss die Lage der US-Finanzindustrie sein,
wenn die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Dauer der 
Leerverkaufs-Restriktion auf die maximal zulässigen 30 Tage ausdehnt,
wenn gleichzeitig Russland das Verbot wieder aufhebt und China 
Leerverkäufe sogar zum ersten Mal überhaupt einführt?
(Börsen-Zeitung, 27.9.2008)

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung