Börsen-Zeitung: Bodenbildung in Sicht Kommentar zu den Märkten, von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots)
Grausamer hätte der US-Arbeitsmarktbericht vom Januar kaum ausfallen können. Selbst die bereits recht schlimmen Erwartungen wurden noch einmal übertroffen. Nicht 540000, sondern fast 600000 Stellen sind im Auftaktmonat in der amerikanischen Volkswirtschaft verloren gegangen. Und als reichte auch dies nicht, ist die Zahl des Vormonats auch noch von 524000 auf fast 580000 nach oben revidiert worden. Die Arbeitslosenrate ist nicht von 7,2 auf 7,5%, sondern gleich auf 7,6% hochgeschnellt. Stellenabbau und Anstieg der Arbeitslosenrate haben Werte erreicht, wie sie zuletzt Mitte der siebziger Jahre gesehen wurden, wie die Unicredit betont.
Alles in allem waren damit die idealen Zutaten für einen kräftigen Kurseinbruch an den Aktienmärkten gemixt. Doch das genaue Gegenteil ist am Freitag geschehen: Der Dax zuckte nur ganz kurz, um anschließend weiter zuzulegen und über die Marke von 4650 Zählern zu steigen, die er zuletzt Anfang Januar gesehen hatte. Die Bewegung ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich zwar die Realwirtschaft weiterhin im Absturz befindet, der Aktienmarkt aber möglicherweise bereits seinen tiefsten Punkt gesehen hat und sich nun mitten in der Bodenbildungsphase befindet, an die sich irgendwann eine Aufwärtsbewegung anschließen wird.
Es gab zuletzt noch mehr Signale in diese Richtung. Während der Arbeitsmarktbericht kaum noch negative Wirkungen auf die Aktienkurse entfaltete, was eine gewisse Abhärtung der Investoren belegt, wurden vereinzelte positive Meldungen gierig aufgegriffen und in Form von Aktienkäufen umgesetzt. So haben zuletzt verschiedentlich Stimmungsindikatoren, die überraschend nicht weiter fielen, sondern Stabilisierungstendenzen zeigten, Kurssprünge ausgelöst. Am Mittwoch reichten Meldungen über Metallkäufe chinesischer Marktakteure und eine Anhebung der Frachtraten durch das Schifffahrtsunternehmen Moeller-Maersk aus, um Aktien von Bergbaukonzernen, Reedereien und Stahlherstellern Kursgewinne von bis zu 20% zu bescheren.
Die Investoren sind tendenziell bereit, sich auf eine Wette auf die Erholung der Weltwirtschaft einzulassen. Gestützt werden sie dabei von den umfangreichen Maßnahmenpaketen insbesondere in den USA, die nun geschnürt werden. Damit bestehen gute Chancen, dass die potenziell positiven Effekte der Maßnahmen die Agenda der kommenden Wochen bestimmen und den Aktienmarkt stützen. Die globale Fondsumfrage von Merrill Lynch, die im Januar durchgeführt wurde, weist in dieselbe Richtung. Sie zeigte, dass die Institutionellen die weltwirtschaftlichen Aussichten gar nicht mehr so schlecht beurteilen, sich aber vorerst noch nicht trauen, in den Markt einzusteigen.
Dass Geld bzw. potenzielle Käufer reichlich vorhanden sind, ist hinreichend belegt. Laut der Merrill-Lynch-Umfrage ist die durchschnittliche Kassenquote der Fonds weltweit von 5,3% im Dezember auf 5,5% im Januar weiter angestiegen. Das deutet ebenso auf potenzielle Nachfra ge nach Aktien hin wie die extre me Unterinvestiertheit beispielsweise deutscher Lebensversicherer. Ihre Aktienquote liegt nur noch in einem Bereich von unter 8%. So hat die Allianz Leben ihre Aktienquote per Ende September 2008 auf 10% zurückgefahren, nachdem sie Ende 2007 noch bei 19% gelegen hatte.
Potenzielle Nachfrager
Das bedeutet nichts anderes, als dass viele Akteure bereits weitgehend aus dem Markt ausgestiegen sind und somit mittel- bis langfristig wieder als potenzielle Nachfrager von Aktien zur Verfügung stehen. Das gilt sowohl für den institutionellen als auch für den Retail-Bereich. Allein im zweiten Halbjahr 2008 hat sich z. B. die Zahl der deutschen Aktienbesitzer (Aktien und Aktienfonds) um 500000 Personen verringert. Im Oktober 2008 wurden im Inland Aktienfonds für netto 4,8 Mrd. Euro abgestoßen, in den ersten elf Monaten Fonds für 5,3 Mrd. Euro zurückgegeben. Doch die deutschen Retail-Anleger stiegen bereits seit dem Jahr 2006 tendenziell aus dem Aktienmarkt aus. 2006 und 2007 beliefen sich die Nettoabgaben von Aktienfonds auf 8,4 Mrd. und 14,6 Mrd. Euro. Die Retail-Anleger werden zwar nicht sehr schnell zurückkehren, aber sie sind bereits ausgestiegen. Zumindest können sie damit keinen Druck mehr auf die Kurse ausüben.
(Börsen-Zeitung, 7.2.2009)
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