Börsen-Zeitung: Denkkappe aufsetzen, Kommentar von Norbert Hellmann zu neuen Herausforderungen in der internationalen Finanzmarktregulierung
Frankfurt (ots)
Eine gemeinsame Position im Dienste der Systemstabilität und im Kampf gegen Finanzmarktexzesse ist gesucht: Woher nehmen und nicht einfach von den Amerikanern stehlen? Im weiten Rund der G20 herrscht erst einmal Ratlosigkeit, die sich in einem babylonischen Stimmengewirr entlädt.
Die US-Regierung hat mit zwei Vorschlagspaketen, wie Banken für die Lasten der Finanzkrise zur Kasse gebeten werden und wie ihre Risikobereitschaft gedrosselt werden kann, eine knallharte Agenda gesetzt. In Berlin, London, Paris und anderswo steht man vor dem Problem, Maßnahmen, deren Stoßrichtung tendenziell begrüßt wird, aber deren Tragweite nicht zuverlässig abgeschätzt werden kann, zu unterstützen, ohne die Meinungsführerschaft allein dem Weißen Haus überlassen zu wollen.
Die Fragen einer verursachergerechten Umlegung der Kosten für Stützungsprogramme und der Entschärfung des Damoklesschwerts "too big to fail" gehen alle etwas an und schreien geradezu nach einem international koordinierten Vorgehen. Im Rahmen der G20 und der vom Pittsburgher Gipfel vorgelegten Marschroute zur Reform der Finanzarchitektur sind sie allerdings ausgeklammert beziehungsweise hinten angestellt worden. Man hat sich zunächst der griffigeren Themen einer Verschärfung der Kapital-, Liquiditäts-, und Vergütungsregeln angenommen. Die hierzu in Basel erarbeiteten Vorschläge werden angesichts ihrer Tragweite und der potenziellen Interessenkonflikte umfangreichen Auswirkungsstudien und großzügigen Umsetzungsspielräumen unterzogen. Es geht nicht um Schnellschüsse zur Aufarbeitung der Krise, sondern um die Stärkung des Finanzsystems der Zukunft.
Übertragen auf die US-seitig ausgelöste Hektik heißt es, erneut die Denkkappe aufzusetzen und die Anstöße aus Washington via Baseler Financial Stability Board in ein Regulierungskonzept umzuwandeln, das sich mit einer Folgenabschätzung für die Wertpapiermärkte verbindet. Die von der Bundesregierung angedachte Finanzmarktkonferenz mit breiter internationaler Einbindung kommt da gerade recht. Die Wall-Street-Riesen und internationalen Großbanken täten gut daran, diesen Prozess zu unterstützen. Anstatt Obamas (Vor)Schläge mit Lobbyismus zu parieren, sollten sie lieber versuchen, sie über die internationale Schiene in vernünftige Bahnen zu lenken.
(Börsen-Zeitung, 26.1.2010)
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