Börsen-Zeitung: Sisyphusaufgabe, Kommentar von Bernd Wittkowski zu den vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht geplanten neuen Anforderungen an die Banken
Frankfurt (ots)
Die Zahlen sind grauenerregend: 105 Mrd. Euro Kapitalbedarf allein bei den zehn größten deutschen Banken. Abbau von 1000 - in Worten: eintausend - Mrd. Euro an Krediten in Deutschland nur als Folge der Einführung einer Verschuldungsgrenze der Banken ohne Rücksicht auf die Risikogewichtung, wie derzeit vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht geplant. Zusätzlicher Bedarf von 190 Mrd. bzw. 420 Mrd. Euro an schnell flüssig zu machenden Papieren, um die neuen kurz- und längerfristigen Liquiditätsanforderungen erfüllen zu können: Nimmt man die vom Bankenverband am Tag vor der vorentscheidenden Sitzung der Regulierer vorgelegten Horrorszenarien buchstaben- und zahlengetreu, dann scheint der Untergang des Abendlandes nicht mehr fern.
Wir sind Zeugen der Endphase eines Poker um die Frage, wie die Lehren aus der Finanzmarktkrise in einem Kernbereich der Regulierung zu ziehen sind: schonungsvoll oder brutalstmöglich? In solchen Situationen gehört das Bluffen zum Spiel. Hier wird bagatellisiert, dort dramatisiert. Das Publikum ist gut beraten, an den Positionen beider Seiten die eine oder andere Wertberichtigung vorzunehmen.
Die jüngst präsentierten Analysen von Aufsichtsseite zu den volkswirtschaftlichen Folgen zum Beispiel klingen sehr nach "wird schon gutgehen". Belastbare Erfahrungswerte sind in einer Jahrhundertkrise Mangelware. Vabanque aber wäre an dieser Stelle ein allzu gefährliches Spiel. Der Bankenverband auf der anderen Seite hat die bisher rudimentären Baseler Festlegungen aus Sicht seiner Mitglieder nicht gerade in ein Best-Case-Szenario umgerechnet. Das wäre unklug für die deutsche Verhandlungsposition. Und auf globaler Ebene hat das Internationale Finanzinstitut IIF zwar schön beschrieben, was schärfere Regulierung an Wachstumsverzicht kosten würde - aber leider übersehen, welche Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste die allzu laxe Regulierung als ein Krisenauslöser zuvor verursacht hat - auch das war nicht wirklich mit offenen Karten gespielt.
Das Finanzkasino schließen, ohne der Realwirtschaft den Kredithahn zuzudrehen: Das ist die Sisyphusaufgabe, um die die Aufseher nicht zu beneiden sind. Gehen sie mit den Banken zu sanft um, leisten sie der nächsten Krise Vorschub. Agieren sie zu rigoros, riskieren sie, die Welt in eine neue, noch tiefere Rezession zu treiben. Ohne Zweifel: In Basel wird heute mehr als nur Bankgeschichte geschrieben.
(Börsen-Zeitung, 7.9.2010)
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