Börsen-Zeitung: Katze aus dem Sack, Kommentar zur Schuldendiskussion in Europa von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Jetzt wird die Katze allmählich aus dem Sack gelassen: Irland sei offen für Umschuldungsverhandlungen zwischen seinen verstaatlichten Banken und deren Gläubigern, gab Finanzminister Brian Lenihan zu Protokoll. Das U-Wort soll offenbar salonfähig gemacht werden. Um die Banken geht es dabei nur vordergründig. Angesichts der Eigentumsverhältnisse bei Anglo Irish & Co. und der von Dublin geleisteten und noch zu leistenden Multimilliardenhilfen für die marode Kreditwirtschaft wäre eine Restrukturierung der Bankschulden gleichbedeutend mit der Umschuldung von Staatsverbindlichkeiten. Je größer die Zugeständnisse der Anleihegläubiger, desto weniger muss die Regierung, deren Etatdefizit 2010 auf den grauenhaften Wert von fast einem Drittel der Wirtschaftsleistung zusteuert, in die bodenlosen Bankenfässer pumpen.
Praktisch zeitgleich - Zufälle gibt's! - kommt aus Griechenland die Kunde, dass eine Verlängerung der dreijährigen Rückzahlungsfrist für Kredite unter der von EU und IWF eingeräumten Garantie "in der Diskussion" sei, was aus Sicht von Finanzminister Giorgos Papakonstantinou "etwas völlig anderes als eine Restrukturierung der griechischen Schulden" ist. Diese Lesart hat er indes ziemlich exklusiv. Berlin und Brüssel wiegeln zwar noch heftig ab: kein Anlass. Aber auch hier wird immer deutlicher, was Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann schon im Mai auszusprechen wagte (später freilich relativierte): Die Hellenen schaffen es nicht allein. Der Markt hat es eh immer gewusst. Die Megaaufschläge auf Anleihen und Kreditversicherungen aus der Euro-Peripherie kommen eben nicht von ungefähr.
Eher früher als später wird man also die Gläubiger zur Kasse bitten. Das hätte längst geschehen sollen, bevor staatliche Rettungspakete in dreistelliger Milliardendimension geschnürt wurden. Wer sich für sein Investment eine hohe Rendite versprechen lässt, muss nun einmal das damit verbundene höhere Risiko tragen. Aber auch ohne einen über die Garantien hinausgehenden Beitrag der europäischen Steuerzahler wird es nicht gehen. Das mag ja im wirtschaftlichen und politischen Eigeninteresse nicht zuletzt der Geberländer auch durchaus geboten sein. Aber man sollte doch bitte endlich aufhören, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. In diesem Sinne ist es sogar zu begrüßen, dass der irische und der griechische Finanzminister die Öffentlichkeit jetzt ganz behutsam mit der Wahrheit vertraut machen.
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