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Börsen-Zeitung: Stunde der Semantiker, Kommentar zu Griechenland von Claus Döring

Frankfurt (ots)

Die Stunde der Semantiker hat geschlagen, wenn sich heute Eurolands Finanzminister treffen, um wieder einmal die Rettung Griechenlands vor der drohenden Insolvenz zu beraten. Ohne Umschuldung, diese Erkenntnis setzt sich allmählich nicht nur bei den Ratingagenturen durch, wird Griechenland auf keinen grünen Zweig kommen, die Staatsschuldenkrise in Euroland zum Dauerthema werden. Nur benennen darf man die faktische Staatspleite nicht als das, was sie ist, denn sonst müssten die Ratingagenturen dies als Zahlungsausfall werten. Also werfen Regierungen und Notenbanker seit Wochen Nebelkerzen und versuchen, mit Begriffen wie "weicher", "freiwilliger" und "rein freiwilliger" Umschuldung für die Einbeziehung der privaten Gläubiger einen Kompromiss zu finden, der ein "Kreditereignis" vermeidet und Weiterwursteln erlaubt.

Längst geht es nicht mehr nur um viele Milliarden Euro, die Europas Steuerzahler zur Stabilisierung von Griechenland, Irland und Portugal bereitstellen mussten und wohl noch müssen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der europäischen Institutionen, allen voran der Europäischen Zentralbank. Deren Präsident Jean-Claude Trichet hat sie vor Jahresfrist aufs Spiel gesetzt, und nun wird er die Geister nicht mehr los, die er einst rief. Mit dem Aufkauf griechischer Anleihen ist die EZB Partei geworden. Wie schwer die Währungshüter sich damit tun, einerseits nicht als verlängerter Arm der Finanzminister zu erscheinen, andererseits durch Verweigerung einer Laufzeitverlängerung der Griechen-Anleihen eventuell zum Scheitern Eurolands beizutragen, ist soeben wieder deutlich geworden. Selbst der Vizepräsident der EZB, Vitor Constancio, hat Mühe, den verbalen Verrenkungen seines Präsidenten Jean-Claude Trichet und deren korrekter Interpretation immer zu folgen (vgl. Bericht S. 6).

Eine reguläre Umschuldung Griechenlands unter Beteiligung der privaten Gläubiger werde das Vertrauen der Märkte in Euroland und seine Währung erschüttern, warnen Notenbanker wie EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, aber auch Geschäftsbanker wie Martin Blessing. Doch ein Default, der aufgrund eines politischen Kuhhandels zwischen Regierungen und Ratingagenturen nicht so genannt werden darf und damit die Absicherung über die Märkte (wie CDS) aushebelt, wird erst recht einen Vertrauensverlust auslösen. Und vor allem: Eine solche weiche Umschuldung löst nicht das Problem, sondern vertagt es nur.

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