Börsen-Zeitung: Griff in die Rentenkasse, Kommentar zu den Koalitionsverhandlungen von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Die Verhandlungspartner der großen Koalition haben noch nicht einmal über die Rente gesprochen, da bereitet die CDU schon den Boden für neue Finanzierungstricks vor. Die von Rechts wegen anstehende Beitragssenkung in der gesetzlichen Rentenversicherung will die Union nämlich aussetzen, um ihre Wahlversprechen zu finanzieren. Für Union und SPD geht es dabei um den Schutz vor Altersarmut. Zusätzliches Anliegen der CDU/CSU ist die Mütterrente. Hierfür sollen mehr Kindererziehungszeiten als Beitragsjahre anerkannt werden.
Es ist der schlecht verschleierte Versuch von CDU/CSU - und vermutlich bald auch der SPD -, mit einem Griff in die Rentenkasse ihre Finanzierungsprobleme zu lösen, ohne den Bundeshaushalt - vermeintlich unberührt davon - vom Konsolidierungskurs abdrängen zu müssen. Somit hat sich an der jahrelangen Praxis, zwischen Bundeshaushalt und Sozialversicherungskassen einen Verschiebebahnhof zu betreiben, rein gar nichts geändert. Wie sollen Bürger noch glauben, die Regierung meine es ernst mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen?
Die Ziele, Altersarmut zu verhindern und Müttern mit gebrochenen Arbeitsbiografien zu helfen, mögen einer wohlhabenden Gesellschaft gut anstehen. Ein Mindesteinkommen für Rentner einzurichten, das höher liegt als der erarbeitete Anspruch, und Müttern, die der Gesellschaft mit der Kindererziehung einen Dienst erweisen, einen höheren Rentenanspruch einzuräumen, sind jedoch sozialpolitisch motiviert. Diese Ausgaben müssen von der Allgemeinheit aus dem öffentlichen Haushalt finanziert und durch Steuern aufgebracht werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wären die falschen Financiers. Der Paradigmenwechsel hin zur Umverteilung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch langfristig gefährlich. Geht es nach Bedürftigkeit und nicht mehr nach erworbenen Ansprüchen, was hindert die Politik dann noch, auch jenen Bürgern die gesetzliche Rente zu kürzen, die privat vorgesorgt haben und damit nun besser dastehen als andere?
Noch vor 15 Monaten hatte Schwarz-Gelb gute Argumente angeführt, um die vom florierenden Arbeitsmarkt gut gefüllten Rentenkassen mit einer Beitragssenkung wieder auf Normalmaß zu reduzieren: Den Arbeitnehmern bleibe mehr in der Tasche und die Konsumnachfrage steige. Und in der Wirtschaft sinken die Arbeitskosten. Dies stärke wiederum Beschäftigung und Wachstum. Diese Formel gilt auch heute. CDU/CSU und SPD können dies nicht einfach wegwischen.
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