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Börsen-Zeitung: Verlierer ist der Sparer, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Mit einem Paukenschlag hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag die Finanzmärkte kräftig durcheinandergewirbelt. Nach der unter 1% gesunkenen Jahresinflationsrate hatte zwar der eine oder andere Beobachter zutreffend vorausgesagt, dass die Währungshüter eine Zinssenkung verkünden würden; die Mehrheit wurde jedoch auf dem falschen Fuß erwischt. Deutlich gezeigt hat sich dies beispielsweise am Aktienmarkt, der durch den Zinsschritt nach oben katapultiert wurde.

Aus fundamentaler Sicht ist dies eigentlich eine unlogische Reaktion. Denn die Zinssenkung offenbart, dass die Notenbank durch den starken Rückgang der Teuerung nervös geworden ist, also kein allzu großes Vertrauen hat, dass sich der Euroraum auf einem Weg befindet, der für den Aktienmarkt als positiv betrachtet werden könnte. Zudem kann niemand ernsthaft behaupten, dass die Reduzierung des Leitzinses von 0,50% auf 0,25% die Voraussetzungen für die Entwicklung der Unternehmensgewinne dramatisch verbessert. Darum geht es allerdings auch nicht. Nachdem die amerikanische Zentralbank klargestellt hat, dass ein sehr frühzeitiger Beginn der Reduzierung ihrer Anleihekäufe keineswegs eine ausgemachte Sache ist, hat nun der Zinsschritt der EZB die letzten Zweifel daran beseitigt, dass die globale Geldpolitik bis auf weiteres mit dem Fuß am Gaspedal festgeklebt bleibt. Der Treibstoff, der die Aktienmärkte antreibt - Zinsen nahe null und überschüssige Liquidität -, bleibt bis auf weiteres erhalten. Damit können die Aktienmärkte voraussichtlich auch in den kommenden Monaten auch bei stagnierenden Gewinnen steigen und sich ihre Bewertungen somit weiter ausdehnen. Seit dem September 2011 ist die KGV-Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis) der globalen Aktienmärkte um 40% gestiegen, wie die Citigroup ausgerechnet hat.

Die Entscheidung der EZB hat aber noch wesentlich weitreichendere Implikationen. Erwartungen oder auch Hoffnungen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Normalisierung bzw. einem deutlichen Anstieg der Zinsen und Staatsanleiherenditen kommen wird, können getrost ad acta gelegt werden. Die neuerliche monetäre Lockerung unterstreicht, dass die Währungshüter auf beiden Seiten des Atlantiks wissen, dass die hoch verschuldeten Staaten, die Immobilienmärkte und das Finanzsystem noch lange nicht in der Lage sein werden, deutlich höhere Zinsen zu verkraften, selbst wenn diese auch nur Niveaus erreichen, die vor wenigen Jahren völlig normal und problemlos gewesen sind.

So schön die Entwicklung derzeit aus Sicht der Immobilienbesitzer und Aktienanleger zu sein scheint, so unangenehm ist sie aus Sicht institutioneller Investoren und nicht zuletzt der Sparer. Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds und Lebensversicherer geraten in eine immer schwierigere Lage, weil sie zugesagte Anlagerenditen am Anleihemarkt nicht mehr erzielen können. Diversifizierung in risikoreichere und damit höher rentierliche Assets ist ein Ausweg, der bereits gegangen wird, wie Unternehmensanleiherenditen zeigen, die früher sogar so manchen Triple-A-dekorierten Staat vor Neid hätten erblassen lassen. Eine Lösung ist dies jedoch nicht. Vielen Institutionellen ist dieser Weg aus regulatorischen Gründen bzw. wegen interner Vorgaben versperrt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausweich-Asset-Klassen nicht annähernd so groß sind wie die Staatsanleihen bester Bonität, allen voran die Treasuries. Institutionelle sind allein schon aufgrund der Volumina, die sie verwalten, auf Gedeih und Verderb auf Treasuries, Bundesanleihen, Gilts und Co. angewiesen. Darüber hinaus sind die Alternativen wie z.B. die Unternehmensanleihen durch die verzweifelte Suche nach Zusatzrendite auf anspruchsvolle Bewertungsniveaus gestiegen.

Neben den Institutionellen sind die deutschen Sparer, die weitgehend in Zinsanlagen engagiert sind, gekniffen. Die staatlich organisierte Rente wird vielfach nicht reichen, und nun wird durch das Niedrigzinsumfeld auch noch die private Altersvorsorge angefressen. Dass die Deutschen falsch anlegen, d.h. die Aktie zu wenig berücksichtigen, ist unbestritten und hat sich in den zurückliegenden Jahren bitter gerächt. Allerdings werden sich deutsche Sparer, die mit Aktien sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben, jetzt auf den deutlich erhöhten Kursniveaus wohl schwertun, das Ruder herumzureißen. Es ist auch unklar, ob ein stärkeres Aktienengagement jetzt sinnvollerweise empfohlen werden soll. Eines sollte man ihnen aber auf keinen Fall zumuten: eine Transaktionssteuer, die das letzte bisschen Ertrag auch noch aufzehrt.

(Börsen-Zeitung, 9.11.2013)

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