Börsen-Zeitung: Quadratur des Kreises, Kommentar zur Börsenfusion von Claus Döring
Frankfurt (ots)
Was denn nun? Einerseits führt die Deutsche Börse einen "konstruktiven Dialog" mit den Verantwortlichen in Hessen über die geplante Fusion mit der London Stock Exchange (LSE), wie Börse-Chef Carsten Kengeter betont. Andererseits seien Aussagen zu Gesprächsinhalten spekulativ, weil die hessische Börsenaufsicht ja erst nach Zustimmung der EU-Kommission und in Kenntnis eventueller Auflagen die Fusion prüfen und entscheiden könne. Ist der Holdingsitz London, wie er unmissverständlich in dem von den Aktionären beschlossenen Fusionsvertrag fixiert ist, unumstößlich oder gibt es doch ein Hintertürchen und Verhandlungsspielraum? Ebenfalls eine Frage, bei der der sonst so gern mit klarer Ansage auftretende Kengeter in der Jahrespressekonferenz herumeierte wie ein Goggomobil auf drei Rädern.
Der Grund: Die Fusion hängt am seidenen Faden. Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Börse dämmert längst, dass es die Zustimmung der Börsenaufsicht für einen Holdingsitz in London in der Nach-Brexit-Welt nicht geben kann. Dies dem Fusionspartner in London und dessen Eigentümern zu verklickern, ohne dort als unzuverlässiger Kantonist zu gelten, der nicht zum Fusionsvertrag steht, gleicht rechtlich wie auch inhaltlich der Quadratur des Kreises. Denn in London glaubt man nicht ohne Grund, es handele sich bei der Fusion nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern faktisch um ein Takeover der Deutschen Börse durch London.
Nun ein Wechsel des Holdingsitzes von London nach Frankfurt und außerdem CEO und (nach drei Jahren) auch Chairman vom deutschen Fusionspartner - das würde man als Reverse Takeover ansehen. Müsste da zur Beruhigung der Gemüter in der City als Gegenleistung nicht wenigstens der CEO-Posten offeriert werden? Auch dieser "spekulativen" Frage wich Kengeter aus, der wegen des Insiderhandelsverdachts und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn sichtbar unter Druck steht.
Vor der Quadratur des Kreises steht freilich auch die Börsenaufsicht, wenn sie eine Konstruktion finden will, mit der die Fusionsgenehmigung an einen Holdingsitz in Frankfurt geknüpft wird. Ein schlichtes Nein wäre kein Problem und ließe sich aufsichtsrechtlich gut begründen. Und doch wäre es den Schweiß der Edlen wert, im Referendumsausschuss der Fusionspartner und in der Börsenaufsicht eine rechtssichere Lösung zu suchen, die der vom Brexit-Votum erschütterten LSE eine gesichtswahrende Fusion mit Holdingsitz in Frankfurt ermöglicht.
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