Formation Schildkröte, Kommentar zur Commerzbank von Anna Sleegers
Frankfurt (ots)
Die zur Eindämmung der Pandemie verhängten Einschränkungen machen Dinge sichtbar, die sich sonst nur erahnen lassen. Etwa bei der Commerzbank, deren Aktionärstreffen wegen des Verbots von Großveranstaltungen wie alle Hauptversammlungen nur virtuell stattfinden konnte. Vorstandschef Martin Zielke erinnerte dabei ein bisschen an einen Oberstudienrat, der gerade die mit den Schulschließungen verordnete Lehrerfortbildung "Teleunterricht I" hinter sich gebracht hat.
Nach dem Chef einer Bank, die sich gerne als Speerspitze des technologischen Fortschritts geriert, klang das jedenfalls nicht: "Die Pandemie zwingt uns viel schneller und radikaler in eine digitale Welt, als wir uns das noch vor Kurzem vorstellen konnten." Vielmehr entstand der Eindruck, dass ausgerechnet die selbst ernannte "Bank an Ihrer Seite" eine virtuelle Hauptversammlung zwar technisch stemmen kann, sich aber herzlich wenig um die Menschen schert, denen sie bei dieser Gelegenheit Rechenschaft schuldig ist.
Zwar beteuerte Zielke, wie wichtig ihm auch und gerade in diesen besonderen Zeiten der Dialog mit den Anteilseignern sei. Dieser sei halt nur leider gegenwärtig nicht so direkt möglich. Die Veranstaltung beschränkte sich daher auf eine Frontalbeschallung, die sich im Wesentlichen darum drehte, was die Commerzbank nicht alles tut, um den deutschen Mittelstand am Leben zu halten.
Nachdem die kurz vor der Veranstaltung vorgelegten Quartalszahlen noch schlechter ausgefallen sind als befürchtet, dürften die Aktionäre andere Fragen umtreiben. Etwa die nach der Eintrittswahrscheinlichkeit der vorgetragenen Hoffnung, dass nach dem sukzessiven Hochfahren der Wirtschaft kein zweiter Lockdown erforderlich wird. Oder warum die Commerzbank es trotz dieser optimistischen Annahmen nicht für nötig hält, Mittel für eine Dividendenausschüttung beiseitezulegen.
Da weckte Zielkes Freude darüber, dass die Commerzbank in schwierigen Zeiten besonders eng zusammensteht, die Assoziation an die Schildkrötenformation des römischen Heers. Zum Rundumschutz vor feindlichem Beschuss hielt die erste Reihe der Soldaten die rechteckigen Schilde vor sich, die darauffolgenden über sich. Dass es auch anders geht, zeigt die Deutsche Bank. Deren Vorstand und Aufsichtsrat stellten die Reden bereits eine Woche vor der virtuellen Hauptversammlung ins Netz, um ihren nicht minder gebeutelten Aktionären die Möglichkeit zu Fragen und Anmerkungen zu geben - trotz physischer Abwesenheit.
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